Adrian Vogel, Flottenmanager Bus, ist ein Experte für nachhaltige Busse. Im August geht er in Frühpension. Wir haben mit ihm über seine 39 Jahre VBZ gesprochen und darüber, warum es wichtig ist, rechtzeitig die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Adrian Vogel hat ein Kapitel Zürcher Busgeschichte mitgeschrieben. Oder vielmehr einen Bestseller – denn wenn sich der «Flottenmanager Bus» frühpensionieren lässt und die VBZ per Ende August verlässt, hat er bei den VBZ die Geschicke der Busse während 39 Jahren mitgelenkt.
Man könnte es fast eine Tellerwäscher-Karriere nennen, auch wenn der gelernte Automechatroniker freilich keine Teller gewaschen, sondern Busse gefahren, an ihnen herumgeschraubt und ihre Zukunft strategisch mitgestaltet hat. Als der vormalige Lastwagenchauffeur im April 1987 zur VBZ stiess, hatte er eigentlich gar nicht vor, lange zu bleiben: «Jung wie ich war, dachte ich, ich mache bei den VBZ die Carprüfung und gehe bald wieder», gibt er zu. Doch es kam anders. «Mit der Zeit wähnte ich mich fast ein bisschen wie im Paradies», stellt er mit einem Schmunzeln fest. «Ich hatte schnell erkannt, dass die Arbeitsbedingungen als Buschauffeur deutlich besser sind als jene für Lastwagenfahrer.» Und das obwohl sich der Walliser in Zürich erst einmal orientieren musste: «Ich erinnere mich an meinen ersten Dienst auf der Buslinie 67. Ich stand mit einem Gelenkbus voller Fahrgäste am Hubertus und musste den Stadtplan zur Hand nehmen, um nachzusehen, ob ich nach rechts oder links abbiegen soll», erinnert er sich lachend.
Das war aber nicht der Grund, weshalb er sich nach einem Jahr entschloss, doch lieber den Drehmomentschlüssel als das Lenkrad in die Hand zu nehmen. «Wenn man auf seinem angestammten Beruf nicht weiterarbeitet, verliert man schnell den Anschluss an die neuesten Technologien», so seine Erkenntnis. Auch kannte er Zürich bald wie seine Westentasche, die ursprüngliche Herausforderung im Stadtnetz geriet zur Routine. Als ihn sein Coach auf einen Job als Automechaniker in der Busgarage Hardau aufmerksam machte, ergriff er deshalb diese Chance.
Sein Lebenswerk: Zürcher Busse mit nachhaltigen Antriebstechnologien
Das Tram war nie ein Thema für den ÖV-Liebhaber. Danach gefragt, schüttelt Vogel den Kopf: «Irgendwie waren mir Gummireifen immer lieber als Eisenräder». Seine Leidenschaft für Busse ist evident, und er hat ein besonderes Interesse an der Entwicklung nachhaltiger Antriebstechnologien für die Zukunft. Vielleicht auch dank diesem klaren Fokus kletterte der ambitionierte Bus-Experte kontinuierlich die Karriereleiter hinauf. Zuletzt hat er als «Flottenmanager Bus» die Elektrifizierung der Busse vorangetrieben. Er liess bereits im Jahr 2012 die ersten Trolleybusse mit Traktionsbatterien anstelle des bisher üblichen Dieselnotfahraggregats ausrüsten. Zwei Jahre später erstellte er die eBus-Strategie, die 2016 mit dem Swisstrolley+ und der ersten Serie Hybridgelenkbussen Fahrt aufnahm. Bald folgten elektrische Quartier- und Standardbusse, im 2021 schliesslich der erste eGelenkbus «MAN Lion’s City 18CE». Im Jahr 2024 wurde das Projekt «Swiss eBus+» eingeführt, ein Quartierbus der aktuell im Pilotbetrieb auf verschiedenen Linien im Einsatz ist.




Die Beschaffung von Fahrzeugen im ÖV sei ein langsamer Prozess, sagt Vogel: «Seit 2010 bin ich für dieses Thema ‹geweibelt›». Er wirkte in der Kommisson «Technik und Betrieb Bus» des VÖV in einer Arbeitsgruppe mit, die in diversen Studien gängige Antriebstechnologien untersuchte und einander gegenüberstellte. Dies mit dem Ziel, den Geschäftsleitungen eine Empfehlung für zukünftige Beschaffungen abzugeben. Darauf angesprochen, dass nebst den Elektrobatterien immer wieder Wasserstoff genannt werde, gibt sich der Fachmann vorsichtig: «Für mich persönlich sind das Stellvertreterdiskussionen, wenn man etwas diskutieren will, von dem man weiss, dass es in den nächsten 10 bis 15 Jahren nicht erfolgreich eingeführt werden kann. Man verhindert so die Diskussion über das, was aktuell sinnvoll und nötig ist. Und das ist aktuell für Busse eben die Batterie und nicht der Wasserstoff. Natürlich muss man das alles genau anschauen und sauber bewerten, das wurde in diesen Studien ja auch gemacht.»
Klare Grundsätze und Freude an der Arbeit
Der Ehrgeiz, mit dem Adrian Vogel seine Projekte vorantrieb und noch immer vorantreibt, hat einen Grund: Der nachdenkliche Flottenmanager macht seinen Job aus tiefster Überzeugung und mit einer grossen Ernsthaftigkeit: «Mich treibt die Erkenntnis an, dass wir als Gesellschaft nicht mehr lange so mit unseren Ressourcen umgehen können, wie wir das aktuell tun. Wir haben nur einen Planeten. Eigentlich müsste das allen bewusst sein, trotzdem merkt man in der Gesellschaft nicht sehr viel davon», meint er gedankenvoll.
Eine sinnvolle Arbeit sei ihm wichtig: «Wir widmen 60 oder 70 Prozent unseres Lebens unserem Job. Da sollte man Freude haben an dem, was man tut, und einen gewissen Gestaltungsspielraum geniessen. Das war bei mir zum Glück immer der Fall, deshalb bin ich ja auch seit 39 Jahren bei den VBZ», meint er zufrieden. Vermissen werde er den regelmässigen Kontakt mit all den Menschen, mit denen er gemeinsam gearbeitet und Ziele erreicht hat, so Vogel. Oder doch nicht: «Die neue Situation muss ja kein Hindernis sein, den Kontakt zu halten», sagt er.
Ohnehin ist es recht unwahrscheinlich, dass der zielstrebige ÖV-Experte seine Berufung an den Nagel hängt, um inskünftig ausschliesslich seinen Hobbies nachzugehen. Auch wenn es ihm als Wanderer und Kletterer, Skitourer, Gleitschimflieger, Biker, Hundebesitzer und Saxophonspieler gewiss nicht langweilig würde. Adrian Vogel ist einer, der mehr bewegen will als sein Wohnmobil, den ein übergeordnetes Interesse antreibt. Jetzt wünscht er sich erst einmal mehr Freiraum.
Ein selbstbestimmter Einsatz für klimaneutrale Mobilität
In einem städtischen Betrieb, mit seiner politischen Einbettung in verschiedene Gremien, sind dem Freiraum naturgemäss Grenzen gesetzt. In den Jahren habe sich auch der Zeitgeist geändert, mutmasst Vogel: «Ich nehme wahr, dass es – bedingt durch zahlreiche Faktoren wie Reglementierungen, unterschiedliche Bedürfnisse oder Spardruck – immer schwieriger wird, etwas zu entwickeln und Lösungen zu Boden zu bringen.» Trotzdem bestehe für unsere Gesellschaft in Bezug auf die Themen Nachhaltigkeit und Dekarbonisierung eine Deadline. Wir seien, mahnt der gebürtige Unterbächer, noch lange nicht am Ziel: «Wenn wir schauen, was in Blatten oder anderen Orten geschieht, kann man argumentieren, es sei nicht klar, ob das etwas mit dem Klimawandel zu tun habe. Für mich ist es klar.»
Der 60-jährige macht sich Gedanken. Auch über den Stellenwert des Zürcher ÖVs: «Die Stadt fördert berechtigterweise den Langsamverkehr und versucht, den motorisierten Individualverkehr einzudämmen. Ich hoffe, der ÖV gerät dabei nicht als Kollateralschaden unter die Räder. Ebenso hoffe ich, den städtischen Entscheidungsträgern ist die Tragweite wichtiger Vorhaben, wie der Bau neuer Garagen, bewusst und wird genügend berücksichtigt.»
Vor diesem Hintergrund möchte sich Vogel in einem Bereich einbringen, in dem sein Wirken weniger von äusseren Faktoren beeinflusst wird: «Ich will meine Energie in den kommenden Jahren möglichst selbstbestimmt einsetzen. In einem Umfeld, in dem ich Gestaltungsfreiheit habe über das, was mir wichtig ist.» Wie dieses Umfeld aussehen wird, darüber macht er sich Gedanken, wenn es soweit ist.
Vor den neuen Aufgaben kommt das lang verdiente Abenteuer
Inzwischen geht es aber erst einmal auf eine Reise: «Ich hatte sehr früh begonnen, zu arbeiten. Die Phase in der Jugend, in der man sich eine Auszeit nimmt und auf Reisen geht, die hatte ich nicht. Das möchte ich nachholen, solange ich noch fit und gesund bin.» Wohin es geht, steht noch nicht fest. Als Rentner sieht sich der Vater eines erwachsenen Sohnes jedenfalls noch lange nicht, vielmehr überlässt er sich dem Wind der Freiheit. Klar ist: Da sein soziales Umfeld weiter berufstätig bleibt, wird er seinen Rucksack wohl erst mal alleine packen. Und weil er seine Reise im Winter antritt, führt diese wahrscheinlich in den Süden, «vielleicht nach Nordafrika, Marokko», überlegt er laut.
Wenn einer eine Reise tut, kommt er mit neuem Elan und frischen Ideen wieder zurück. Klar ist: Für Adrian Vogel bedeutet seine Pension noch lange kein Ruhestand. Es ist zu erwarten, dass die neu gewonnene Freiheit und der frische Wind dem engagierten Naturfreund einen Auftrieb verleiht, der ihn nicht nur nach Marokko, sondern auf verschiedenen Ebenen weit darüber hinaus trägt.