Der Zürcher Autor Stephan Pörtner hat schon wiederholt literarische Tramfahrten mit Lesungen aus seinen aktuellen Krimis bestritten. Auch dieses Jahr ist er mit einer Fahrt in der KrimiCobra anlässlich des Buch- und Literaturfestivals «Zürich liest» mit von der Partie. Hier erzählt er von seinen Erfahrungen mit der Herausforderung eine Lesung in einem fahrenden Tram zu bestreiten, die bereits 2003 ihren Anfang nahmen.
«Als ich das Tram betrete, stolpert mir ein junger Mann entgegen. Ich kann gerade noch ausweichen, will mich über seine Manieren beschweren, als ich das Messer in seinem Rücken sehe. Während er zu Boden sackt und mit einem Röcheln verendet, setze ich mich auf den Einzelplatz neben der Tür. Ich sitze gerade rechtzeitig, sodass die Kugel knapp über meinen Kopf hinwegzischt. Das Tram fährt an und ich schaue konzentriert in meine Zeitung, während zwei Reihen vor mir eine Frau ihren Gatten erwürgt. Höflich den Giftcocktail einer alten Dame ablehnend, steige ich aus. Nichts für schwache Nerven, so eine Fahrt mit dem Krimi-Tram.»
«Nichts für schwache Nerven, so eine Fahrt mit dem Krimi-Tram»
Mit diesem kurzen Text warb ich im Jahr 2007 auf einer ganzseitigen, vierfarbigen Anzeige für die Fahrten im Krimi-Tram. Laut meinen Unterlagen fand meine erste Tramlesung aber schon vier Jahre früher statt, am 15. November 2003 im Rahmen der Mordstage. Damals hiessen die Fahrten KrimiCobra, wahrscheinlich weil das Cobra-Tram ganz neu war und es irgendwie gefährlich klang. Die Fahrt mit einer Autorin, einem Autor und einer Moderatorin kostete 10 Franken. Ich erinnere mich, dass ich am selben Tag eine zweite Veranstaltung hatte und darum am Stauffacher aussteigen musste und von einem Taxi abgeholt wurde. Da kam ich mir ziemlich wichtig vor. Natürlich wollten bei dem Halt auch Leute ins Tram einsteigen und mussten abgewiesen werden. Interessant, dass Leute ohne zu schauen, um welche Linie es sich handelt, einfach in ein Tram einsteigen wollen, nur weil es gerade anhält.
Die Erinnerung an die mit obigem Text beworbene Lesung von 2007 im Rahmen der Langen Nacht der Kurzen Geschichten, wie «Zürich liest» damals hiess, ist durchzogen. Gelesen haben wir zu dritt und hatten mit technischen Problemen zu kämpfen, die Verstärkeranlage funktionierte nicht richtig, zudem mussten wir das Mikrofon mit der einen Hand halten und mit der anderen die Seiten umschlagen, womit keine übrigblieb, um sich festzuhalten, was zu einer, sagen wir einmal wackligen Performance führte. Ein Mann, der kein Wort verstand, wurde ernsthaft böse. Zum Glück wurden die Veranstaltungen damals von den Waadtländer (oder waren es Walliser?) Weinen gesponsert und so fuhren junge Menschen in Trachten mit, die auf dem Rücken Weinkanister trugen und den Leuten grosszügig einschenkten. Das rettete den Anlass.
Bei meinem nächsten Krimitram hörte ich beim inzwischen eingeführten Soundcheck, wie ein Mann nach Tickets fragte und dann einfach solche für das nächste Krimi-Tram kaufte, in dem es noch Platz hatte. Ich war immer davon ausgegangen, dass die Leute sich die Trams nach den Autorinnen und Autoren aussuchen und war immer stolz wenn «meine» Fahrt ausverkauft war, aber offenbar war das eher ein Zufall. Die Tramlesungen sind speziell, weil man von einem Teil des Publikums nur den Rücken sieht, andere sieht man nur in Links- oder Rechtskurven, früher quietschten die Trams noch oder der Strassenlärm zwang einen, das Lesen kurz zu unterbrechen. So ganz genau weiss man also nicht, was während der Fahrt passiert.
Lustig war die Fahrt mit Michael Herzig, bei der wir beide je zwanzig Minuten vorbereitet hatten, da die Fahrt eine Dreiviertelstunde dauern sollte. Das Tram blieb aber stecken und so hatten wir erst die halbe Strecke zurückgelegt, als wir mit unseren Texten bereits fertig waren. So improvisierten wir für den Rest der Fahrt eine Art Stadtrundfahrt, in der wir zu den Orten, an denen wir vorbeifuhren, Geschichten erzählten (und teils erfanden), die im allerweitesten Sinne etwas mit Krimis zu tun hatten. Das hat den Leuten gefallen.
In diesem Jahr werde ich zum ersten Mal eine Fahrt ganz alleine bestreiten, was natürlich eine Herausforderung darstellt, 55 Minuten sind eine lange Zeit, wenn man alleine ein volles Tram zu unterhalten hat. Doch ich bin zuversichtlich, dass es auch diesmal nur im vorgelesenen Text Mord und Totschlag geben wird.
Krimi-Tram am «Zürich liest» 2019
Samstag, 26. Oktober 2019 12.00 – 12.55 Demian Lienhard 13.30 – 14.25 Urs Hardegger 15.00 – 15.55 Ina Haller 16.30 – 17.25 Wolfgang Bortlik Sonntag, 27. Oktober 2019 12.00 – 12.55 Isabel Morf 13.30 – 14.25 Ste Pörtner 15.00 – 15.55 Petra Ivanov und Gabriela Kasperski 16.30 – 17.25 Ingo Ospelt Weitere Infos: Zürich liest