Mit Humor und wallendem Bart am Steuer

Wenn Guido Schweizer mit Rauschebart und rotem Gewand unterwegs ist, werden die Grossen wieder klein und die Freude dafür umso grösser. Wie er zum Samichlaus wurde, was er unterwegs erlebt und was ihm wichtig ist, hat er uns erzählt.

Die Farbe Rot ist sein Markenzeichen. Wo er seinen Fuss auf den Boden setzt, ist er sofort von Jung und Alt umringt –  alle wollen sich mit ihm fotografieren lassen und ihn berühren. Seine Präsenz ist wie ein warmes Feuer in einer kalten Winternacht – sowohl einnehmend als auch Respekt einflössend. Nein, wir reden weder von Ed Sheeran noch vom Dalai Lama, sondern – natürlich – vom Samichlaus. Konkret geht es um jenen Nikolaus, der sich öfter mal mit dem Namen «Guido Schweizer» frei und unerkannt, quasi undercover, als Trampilot in der Stadt bewegt.   

Die eingangs erwähnten Merkmale beschreiben den passionierten Märlitram-Piloten so treffend wie Tells Pfeil den Apfel auf Walterlis Kopf. Denn wenn Guido Schweizer in seiner Rolle als Samichlaus auftritt, wird niemand daran zweifeln, dass er der wahre, echte Samichlaus ist: Warmherzig, humorvoll, mit einer natürlichen Autorität.

Wo der Samichlaus mit dem Märlitram anrollt, werden alle zu Kindern

Schon seit 17 Jahren lebt der gebürtige Luzerner den Märlitraum. Eine Berufung, die wunderschön sei: «Die Aufgabe als Samichlaus im Märlitram ist sehr nährend. Für die Kinder, die Erwachsenen und natürlich auch für mich.» Der Samichlaus versetze nämlich auch die Eltern in ihre Kindheit zurück: «Sie haben dasselbe Strahlen in den Augen wie ihre Jüngsten und wollen mich umarmen.»

Auf diese Weise etwas Freude in die Welt zu bringen, ist Schweizer sehr wichtig. Gleichzeitig ist ein Bewusstsein für die Situation gefragt, wenn Passanten derart überschwänglich auf den Trampiloten zugehen: «Man muss ein Gespür dafür haben, wo die Grenze liegt», sagt der 57-jährige. Manche würden nämlich am liebsten gar nicht mehr loslassen. Überhaupt ist Balance ein Thema, wie bei jedem Promi. Denn als Samichlaus stehe man immer im Mittelpunkt: «Ich muss fast ein bisschen aufpassen, dass ich nicht eingebildet werde, man könnte meinen, ich sei George Clooney», sagt er lachend. Abends sein Kostüm auszuziehen und «inkognito» unterwegs zu sein, das sei deshalb sehr entspannend, so richtig «wow, niemand schaut dich an oder will etwas von dir.»

Zu Recht fast so begehrt wie George Clooney: Samichlaus Guido Schweizer sieht seine Rolle als Chance, etwas Positives in die Welt und die Herzen der Menschen zu bringen. (Bild: VBZ)

Zum Glück ist Guido Schweizer auch nicht der einzige Samichlaus im Märlitram, sondern darf sich mit drei anderen Kollegen abwechseln. Die vier sind ein eingespieltes Team, erzählt er: «Gewisse Abläufe wollen geregelt sein, mit den Tickets oder in der Zusammenarbeit mit dem Partner St. Annahof. Doch die Art, wie ein Märlitram-Samichlaus auftritt, steht jedem frei. Manche singen im Tram, jeder ist individuell.» Auch er singe gerne mal ein Lied mit, verrät er, denn «ich kenne ja alle Lieder auswendig.» 

Schönes Haar und ein Herz für Kinder

Das extravertierte Auftreten, erzählt er, sei nur eine seiner Facetten, im Grunde eine Rolle. «Im Rampenlicht stehen und frei von der Leber weg Antworten liefern, das liegt mir – ich habe mich schon als Schüler im Schultheater engagiert», erzählt er. Später konnte er seine Auftrittskompetenz und seine Rhetorik als Geschäftsführer und Fachtrainer bei einem bekannten Unternehmen für Haarpflegeprodukte verfeinern, wie er verrät. Hinter den Kulissen zeigt er aber auch eine nachdenkliche, sensible Seite. «Dieser Gegensatz passt zu mir, ich bin Löwe mit Aszendent Krebs», erklärt er mit einem Augenzwinkern.  

Man muss nämlich wissen, dass man – anders als ein tibetischer Lama – nicht als Samichlaus geboren wird. Es gibt ein Leben zuvor. Guido Schweizer etwa ist gelernter Coiffeurmeister. Wir lassen es offen, ob das der Grund ist, weshalb sein Rauschebart besonders gepflegt daherkommt.

Zu den VBZ kam der Trampilot im Jahr 2002 – eigentlich aus der Not heraus: Der Mietvertrag seines Coiffeurgeschäfts wurde nicht verlängert, er benötigte dringend eine Einnahmequelle. Nach 23 Jahren ist aus der Not längst eine Tugend geworden. Schon wenige Jahre später, im Jahr 2008, sah eine Gruppenleiterin im Betrieb Tram, dass noch mehr in dem «gmögigen Trämler» schlummert. Sie ermutigte ihn, ins Märlitram einzusteigen: «Sie wusste, dass ich gerne Kinder habe und kannte auch meine Tochter», erinnert sich der Vater einer 28-jährigen Tochter und eines 30-jährigen Sohnes.

Bestechungsversuche und heimlich reinschleichen

Sowohl der Job als Samichlaus im Märlitram wie auch der Alltag als Trampilot seien schön wie auch fordernd, will der Trampilot mit einem 100%-Pensum betont haben. Im Märlitram wegen der hohen Aufmerksamkeit – nicht nur die, die ihm zuteilwird, sondern auch jene, die er selber aufbringen muss. In einem Oldtimer müsse man sich nämlich intensiver konzentrieren als in einem modernen Tram: «Es gibt kein System, das einen unterstützt oder vorwarnt. Alles muss von Hand eingestellt werden», erklärt er. Und natürlich stehe man den ganzen Tag im Führerstand. «Dafür entsteht im Kontakt mit den Leuten sehr viel schöne, positive Energie», schwärmt er. Doch auch im Märlitram würde es bisweilen «menscheln»: «Manche Eltern versuchen, ein Kind ins Tram zu schmuggeln. Sie schieben es hinein, wenn sie denken, niemand schaue hin. Andere sind genervt und fluchen, vor den Kindern», tadelt er.

Apropos «reinschmuggeln». Auch Bestechungsversuche sind beim Samichlaus zum Scheitern verurteilt. Was nicht heisst, dass es nicht versucht wird. «Einmal lief eine gut gekleidete Dame, ausgestattet mit teurem Schmuck, selbstbewusst an der Warteschlange vorbei, baute sich vor mir auf, und sagte, sie zahle jeden Preis, aber ihr Kind müsse mitmitfahren. So geht das natürlich nicht.» Schweizer schmunzelt.

Sternenstaub für eine entmystifizierte Welt

Doch Guido Schweizer hat ein Rezept gegen den Stress, das einem Samichlaus würdig ist: Waldbaden. Das liegt gewissermassen auf dem Weg, denn im Dunkelhölzli, so hört man, wartet der Schmutzli, der sich um den Esel kümmert, während der Samichlaus das Märlitram steuert. Bestimmt wusste bis anhin aber niemand, dass der Mann in rotem Samt nicht nur den Schlitten steuert, sondern auch sein eigenes Kanu. Wenn er gerade nicht im Wald badet, findet man den Naturmenschen nämlich zu Wasser, gemütlich durch den See rudernd. Im Abendrot das leise Rauschen der Wellen und Vögel, die über Schweizer durch die Lüfte kreisen. So tankt er seine Energie wieder auf.

Diese Art von Magie will er auch als Samichlaus weitergeben. «Ich glaube, das Märlitram ist eine wichtige Sache in der heutigen, schwierigen Zeit», sagt er: «Es bringt den Zauber zurück in eine entmystifizierte Welt. Das spüre ich, und das ist meine Motivation.»

Alles zum St. Annahof Märlitram

Das Märlitram von Coop City St. Annahof fährt bis 23. Dezember 2025. Tickets erhalten Sie jeweils eine Woche im Voraus in den Coop City-Filialen in Zürich und an der Tourist Information am Hauptbahnhof.

Alle Informationen und den Fahrplan finden Sie auf der Website von Coop City.

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