Mit em Achti vom Vieri is Föifi

Bald wird die Tramlinie 8 die Stadtkreise 4 und 5 miteinander verbinden – das Verlegen der Tramschienen auf der Hardbrücke ist weit fortgeschritten. Die Überführung über die SBB-Gleise war die erste städtische ÖV-Verbindung zwischen Aussersihl und Industriequartier – zwei Quartiere, die einst eine Einheit bildeten, sich aber höchst unterschiedlich entwickelten. Über die Brücke fuhr zuerst der Autobus, dann der Trolley und jetzt kommt das Tram!

Eigentlich begann alles in grauer Vorzeit, als noch die Eidgenössische Tagsatzung die Geschicke des Landes bestimmte. Am 7. August 1847 wurde die erste Etappe der Schweizerischen Nordbahn von Zürich nach Baden eröffnet, welche später die liebenswerte Bezeichnung «Spanisch-Brötli-Bahn» erhielt. Die Konsequenz war, dass der auf ebener Erde angelegte Schienenweg die damalige selbstständige Gemeinde Aussersihl in zwei Teile schnitt. Einschneidend war das zunächst nicht, denn es rollten nur gerade vier Züglein pro Tag in jede Richtung. Dann aber, mit dem Siegeszug der Eisenbahn, machten sich gewaltige Gleisbündel breit, mit der Verlegung des Güterbahnhofs brauchte es jede Menge Zufahrts- und Rangiergleise. Kein Wunder, dass sich die Nordostbahn entschloss, eine Brücke über das Schienengewirr zu bauen und den einstigen Niveauübergang, dessen Schranken ohnehin die meiste Zeit geschlossen waren, zu beseitigen.

Erste Hardbrücke

Unter finanzieller Beteiligung der Stadt baute die Bahngesellschaft eine eiserne Fachwerkbrücke über das Gleisfeld von der Pfingstweidstrasse bis zum Hardplatz. Sie diente damals vornehmlich dem Fuhrwerkverkehr, für die Fussgänger war links und rechts ein abgetrennter Gehweg angebracht. Am 6. November 1897 wurde die Brücke für den Verkehr freigegeben. Als anfangs 1902 die Nordostbahn verstaatlicht wurde, kam das Bauwerk in den Besitz der SBB.

Erste Hardbrücke, 1918. Blick vom Fussgängerbereich auf das Gleisfeld, noch keine Spur von elektrischen Fahrleitungen; die Elektrifikation fand erst 1925 statt. (Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich)

Schnauzerbusse

Dreissig Jahre dauerte es, bis die Brücke für den ÖV genützt wurde. Eine Tramlinie rechnete sich damals nicht, zu teuer im Bau, defizitär im Betrieb. Aber für eine Autobuslinie war die Strecke wie geschaffen. Am 8. August 1927 wurde sie als Tangentiallinie eröffnet; sie führte von der Utobrücke (heute Sihlcity Nord) zum Rigiplatz in Oberstrass. Die erste Autobuslinie auf Stadtgebiet war sie nicht, denn schon 1924 zog ein Privatmann in der Langstrasse einen regelmässigen Autobusbetrieb auf. Aber es war die erste städtische Buslinie. Fünf Saurer-Schnauzerbusse und ein dreiachsiger FBW-Wagen bildeten den Wagenpark. Die Fahrzeuge waren geschmackvoll eingerichtet, die Passagiere freuten sich über die gepolsterten Ledersitze. Die Billette wurden vom Chauffeur ausgegeben, welche den Dienst in Gamaschen versah. Nur bei grossem Andrang fuhr auch ein Kondukteur mit. Der Autobusbetrieb wurde auf separate Rechnung betrieben, die Busse hatten ein eigenes Fahrausweissortiment, Trambillette waren auf dem Bus nicht gültig. Durch diese Regelung wollte man den Andrang auf das neue Verkehrsmittel in Grenzen halten, um nicht gezwungen zu sein, weitere Wagen anzuschaffen. Die neue Linie frequentierten vor allem Arbeiter, die mit dem Autobus zu den Arbeitsplätzen im Escher-Wyss- und Giesshübel-Gebiet gelangten.

Dann wird elektrisch gefahren

Die Kriegsjahre machten die Abhängigkeit des Landes von den Treibstoff-Importen schmerzlich spürbar. Daher wurde der Trolleybus gefördert, welcher für die Energieversorgung auf einheimische Wasserkraft bauen konnte. 1942 wurde die Buslinie über die Hardbrücke elektrifiziert. Kriegsbedingt bestanden die Fahrleitungen aus umgeschmolzenem Altkupfer, das war nicht ganz 1-A-Qualität, aber für den störungsfreien Betrieb ausreichend. Nur für die Brücke selbst wurde der Trolleybus zum Problem. Während die alten Autobusse mit 46 Plätzen und 7,2 Tonnen Leergewicht zu verkraften waren, erwiesen sich die Trolleybusse (82 Plätze bei 9,5 Tonnen) für die Brücke als arge Belastung. 1948 wurde die mittlerweile fünfzigjährige Brücke verstärkt, gleichzeitig saniert und für weitere 25 Jahre fit gemacht.

 1942 wurde die Buslinie über die Hardbrücke elektrifiziert.

Die Bus-Frequenzen über die Hardbrücke blieben vorerst bescheiden. Noch lange wurde die Linie 33 mit Zweiachs-Trolleybussen, «Truckli» genannt, betrieben. Erst ab 1975 kamen Gelenkbusse auf die Brücke. Mit dem Bau der Westtangente, der viele Fahrleitungsprovisorien nötig gemacht hätte, wurde der 33er während 7½ Jahren wieder auf Autobusbetrieb umgestellt, teilweise über die Duttweilerbrücke umgeleitet. Doch dann wurde wieder elektrisch gefahren. 1994 wurde auch die zweite Hardbrücke-Linie, der 72er, elektrifiziert. Ganz kurz gab es in den Hauptverkehrszeiten mit dem 71er während zwei Jahren sogar eine dritte Trolleybuslinie, sie wurde im Dezember 2015 durch die Autobuslinie 83 ersetzt.

Die ganz grosse Brücke

Die alte Hardbrücke erwies sich je länger je mehr als zu schmal und zu schwach. Um den stetig wachsenden Verkehr durch die Stadt zu schleusen, musste eine neue Brücke her, länger und höher. Bereits als Ausläufer der Rosengartenstrasse am Wipkingerplatz beginnend, die Limmat und den Escher-Wyss-Platz überquerend, auf der ganze Länge bis zum Hardplatz so hoch gebaut, dass es den SBB möglich war, die Linie vom Käferbergtunnel über die anschliessende Rampe in den Hauptbahnhof einzuführen.

Um den stetig wachsenden Verkehr durch die Stadt zu schleusen, musste eine neue Brücke her.

So schön die Pläne auch waren, das Zürcher Stimmvolk erwies sich als unberechenbar. Der neuen Brücke stiess 1970 ohne Probleme auf Zustimmung, aber das zwei Jahre später zur Abstimmung gelangende Abschlussbauwerk Hardplatz ging bachab. Lange Zeit endete die neue Brücke, nur beschränkt genutzt, mit provisorischen Rampen kurz vor dem Hardplatz – als «denkwürdiges Mahnmal für einen raschen Stimmungsumschwung in der Bevölkerung», wie die NZZ 1973 kommentierte. Erst 1977 fand eine überarbeitete Hardplatz-Vorlage beim Stimmvolk Gnade und die Brücke konnte fertig gebaut werden. 1982 wurden die Fahrspuren in beiden Richtungen für den Verkehr freigegeben und die Brücke konnte ihren Nutzen voll entfalten.

Brücke wird zum Bahnhof

Lange Zeit brausten die Züge einfach vorbei. 1982 entstanden an der Käferberglinie Haltekanten und die Regionalzüge hielten an; direkt darüber auf der Brücke entstand eine Bushaltestelle. Somit wurde auf Stadtgebiet erstmals seit 50 Jahren ein neuer Bahnhof eröffnet. Die Limmattal-Linie musste sich etwas länger gedulden. Erst mit der Eröffnung der S-Bahn 1990 erhielt auch sie Perrons am Bahnhof Hardbrücke. Das hatte Auswirkungen auf die Buslinie oben auf der Brücke. Sowohl dem 33er wie auch dem 72er bescherte der neue Bahnhof ausgezeichnete Frequenzen, der Fahrplan der Linie 72, die zuvor nur in den Hauptverkehrszeiten die Hardbrücke befuhr, wurde ausgebaut.

Der Bahnhof Hardbrücke im einstigen Niemandsland hat sich zu einem bedeutenden ÖV-Knoten entwickelt, dem nun mit der Tramerschliessung die nötige Referenz erwiesen wird. Und das einstige Aussersihl, vor Jahrzehnten durch die Schienenstränge geteilt, was auch politische Konsequenzen nach sich zog und in der neuen Stadtkreiseinteilung von 1913 zu den separaten Kreisen 4 und 5 führte, 1927 zur Aufsplittung in die Kirchgemeinden Aussersihl und Industriequartier, dieses Gebiet wird nun mit einer direkten Schienenverbindung wenigstens ein Stück weit wieder zusammengefügt. Dank em Achti!

 

Artikel teilen:

Wir verwenden Cookies, um Ihnen den bestmöglichen Service zu gewährleisten. Durch die weitere Nutzung der Website stimmen Sie unserer Datenschutzerklärung zu.
Mehr erfahren