Marcel Scheiner Rüebli-Jeans

Mit ihrer neuesten Inseratekampagne wecken die VBZ Erinnerungen an die Jugendjahre der «Generation Ü50», um diese zum Einsteigen als Busfahrer*in oder Trampilot*in zu gewinnen. Dazu erinnert sich Autor Thomas Wyss an seine Marcel Scheiner-Rüebli-Jeans und das Gefühl des Poppers, dem die Welt gehört.

Blöde Frage! Natürlich wären wir gern in den Booster gegangen. In dieser Mitte der 1970-Jahre im Niederdorf eröffneten Boutique gab es die heftig angesagten «Doc Martins»-Schuhmodelle, teils gar mit integrierter Stahlkappe für allfällige Strassenkämpfe. Und Baggy Trousers, wie sie in jener Zeit durch angesagte englische Ska-Bands wie The Specials und Madness populär wurden. Dazu fancy Hosenträger und Hüte, Hawaii-Hemden, Subkultur-Shirts mit Aufdrucken wie «Never Mind The Bollocks», «God shave the Queen» oder «Pretty Vacant» … und als Nonplusultra im integrierten Plattenladen «Upstairs» das hippste Gitarren-Vinyl der Stadt.

Kurzum: Der Booster war der ultimative Hotspot der Coolness. Er war aber eben auch – eine Folge des britisch geprägten Sortiments – ziemlich heavy Punk. Verkäuferinnen und Verkäufer waren gepierct, trugen zerrissene Jeans, grellbunte Strubbelfrisuren und teils gar Ratten auf den Schultern. Sie qualmten bei der Arbeit und hatten unmissverständliche Haltungen, die sie mit Vorliebe lautstark kundtaten.

Unsere Clique gehörte jugendkulturell betrachtet dem exakten Gegenprogramm an. Es hiess «Popper». Bei uns rauchte praktisch niemand. Unser Statussymbol war das adrett gestaltete Töffli und die vornüberfallende Frisur. Wir waren irgendwie dauerverträumt und entsprechend apolitisch unterwegs. Dazu verehrten wir Bands, die süssliche Synthesizer-Melodien kreierten und ihre Songs mit harmlosen Refrains wie «All I wanna do is see you – don’t you know that is true?» versahen. Das war mehr oder weniger alles super. Aber es gab ein Problem: Die Mode!

Wenn ich den Eltern sagte, ich bräuchte eine neue Hose, war die erste Anlaufstelle über Jahre hinweg der gleiche Laden unweit der Gemüsebrücke, dessen Werbeslogan lautete: «Di beschte Jeans i jedere Form, die poschtete me bim Willy Korn». Auf lange Sicht konnte das nicht die Lösung sein. Das versteht sich von selbst. Und Sommerferien, wo es dann und wann vom Tessin über die Grenze nach Varese und dort in den Benetton oder Fiorucci ging, waren halt nur einmal im Jahr.

Eines Tages kam der jüngste unserer fünfköpfigen Clique ungewohnt aufgeregt in den Wollishofer Jugendtreff und befahl, wir müssten subito zu Marcel Scheiner. Die fragenden Blicke quittierte er leicht hysterisch mit: «Dä steil neu Jeanslade im Dörfli!» Rundum höhnisches Gelächter. Ein noch banalerer Allerweltsname als Willy Korn sollte unser chronisches Hosenproblem lösen? Dennoch gingen wir mit. Dennoch wühlten wir bald inmitten eines Pulks in riesigen Stapeln herum. Und erwarben durchs Band – es zeugte von untrüglicher Stilsicherheit – das Modell «Rüebli-Jeans»: Oben weit, beim Rist eng, in der kecksten Variante auf den Seiten mit braunem oder weissem Kunstlederstreifen versehen. Mit Espadrilles, da waren wir uns einig, sah das bestimmt super aus. Da die Dinger nur zwischen 30 und 40 Franken kosteten, kaufte jeder mehrere Exemplare.

Zwei bis drei Tage lang waren wir damit im Schulhaus eine Art Trendsetter, danach wars gelaufen – alle hatten Marcel Scheiner entdeckt, fast alle waren ihm verfallen. Dennoch hatte diese Hose speziell bei mir zu einem neuen Selbstverständnis geführt. Ich fühlte mich damit «in», gar ein bisschen krass. Sodass ich entschied, nun doch mal diesen legendären Booster zu betreten und mich da ein bisschen umzuschauen, womöglich gar was zu pöschtele. Dazu kam es dann nicht. Die Details will ich Ihnen (und mir) ersparen, nur soviel: «Scheisspopper» war noch der netteste Kraftausdruck, der mir um die Ohren flog. Viel ernüchternder aber war, dass sich meine Befürchtung nun als Gewissheit entpuppte: In der «richtigen» Welt waren die Rüebli-Jeans von Marcel Scheiner ein schlechter Witz.

Jetzt bitte einsteigen

Mit einer Inseratekampagne sprechen die VBZ gezielt über 50-Jährige an, um sie - und alle anderen Interessierten - zum Umstieg als Trampilot*in oder Busfahrer*in zu motivieren. https://vbz.jobs/weisst-du-noch-damals/

Hier bewerben Sie sich als Trampilot*in oder Busfahrer*in: vbz.jobs/einsteigen 

Parallel zu den Inseraten erscheinen hier Geschichten von Autor Thomas Wyss, der - passend zur Inseratekampagne - in seinen Erinnerungen schwelgt.

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