Autonomes Fahren, Flugtaxis, Hyperloopes oder noch verrücktere «Düsentriebereien» – wie die künftige Mobilität tatsächlich aussehen wird, kann man nur erahnen. Doch einige der Innovationen und Technologien, die bereits im Testeinsatz sind oder waren, wollen wir der Leserschaft anhand einer mehrteiligen Serie präsentieren. Heute im Fokus: Mobilität und der Maglev in Shanghai.
Es ist gerade mal halb Sieben in der Früh, und ich seh noch kaum aus den Augen. Der Becher Americano aus dem Starbucks ist beinahe zur Gänze ausgetrunken, was nicht sonderlich viel zu meiner Sehschärfe beigetragen hat. Nun steh ich da und blicke mich um. Ein Fahrradweg, augenscheinlich. Allerdings flüstert mir eine innere Stimme zu, dass dies wohl alles andere als ein Weg für zweirädrige Drahtesel sein kann. Es bewegt sich zwar in der Tat etwas auf dieser eigenartigen Trasse, aber das Ungetüm hat nicht mal Räder. Aber jetzt der Reihe nach – drehen wir die Zeit erst mal sieben Tage zurück.
Angefangen hat alles damit, dass ich mich auf eine persönliche Einladung hin nach dem Reich der Mitte, genauer gesagt in die Megalopolis Shanghai begeben habe. Shanghai, ein topmoderner Superlativ, war mir bis dato nur aus Zeitschriften und TV-Reportagen bekannt. Dass gilt für den Rest dieses mutmasslich anders tickenden Landes nach wie vor. Shanghai mit dem Rest von China zu vergleichen ist wohl ähnlich, wie das Äquivalent zwischen Chur (wo der Schreibende herkommt) und Zürich (wo er sich öfters aufhält, so wie sich umgekehrt die Zürcher ja auch öfters in Graubünden aufhalten) finden zu wollen. Anyway.
Elektro kommt günstiger
So wurde ich, nach einem zwölfstündigen Flug, gleich nach meiner Ankunft in diese moderne und hyperaktive Businesswelt gespuckt. Die Fahrt im – von meinem Gastgeber entsandten – luxuriösen Hybrid-BMW versetzte mich in Staunen. So hört und liest man von Dauersmog und Luftverpestung in und um Shanghai. Meine Frage an den Chauffeur machte mich nicht schlauer. Auf meine in Englisch formulierte Frage, «wieso ein Hybrid-Fahrzeug?», bekam ich eine Antwort in sauberem Mandarin. Verstanden habe ich also rein gar nichts.
Die recht erstaunliche Antwort erhielt ich später von meinem Gastgeber. Als Privatperson muss man im Schnitt bis 90‘000 RMB (so das Kürzel für Chinesische Yuan), hinblättern, um ein Fahrzeug einzulösen beziehungsweise ein Auto immatrikulieren zu können. Das entspricht ungefähr 12‘000 Schweizer Franken! Noch dicker fällt die Rechnung aus, wenn es sich um ein Firmenauto handelt. Da schlägt die Immatrikulation mit 250‘000 bis 350‘000 RMB (sprich 35‘000 – 50‘000 Schweizer Franken) zu Buche. Hybrid-Fahrzeuge sind da vergleichsweise günstig und Elektrofahrzeuge sind gar gratis. Das erklärt, wieso gerade Taxi-Unternehmen vermehrt auf Hybrid- oder Elektrofahrzeuge setzen. Und sie sind einfach zu erkennen. Dunkelblaue Taxis, also sogenannte Haibo-Taxis, haben einen Elektromotor.
Metro der Superlative
Doch die vielen Taxen alleine reichen niemals aus, um die vielen Menschen in dieser Stadt geordnet und gezielt von A nach B zu spedieren. So habe ich auch einige Male die Metro der Stadt in Anspruch genommen. Diese extrem durchorganisierte und topmoderne Metro ist ein weiterer Superlativ der Stadt. Apropos Superlative. Shanghai hat 25 Millionen Einwohner, das zweithöchste Gebäude der Welt (den Shanghai Tower mit 632 Metern Höhe) und das mit 670 Kilometern global längste Metronetz. Auf diesem weit ausgedehnten Schienennetz werden auf 16 Linien über 410 Haltestellen bedient und dabei täglich über 10 Millionen Passagiere bewegt. Laut Wikipedia sollen es im Jahre 2018 insgesamt 3,7 Milliarden Passagiere gewesen sein. Bei diesen Zahlen wurde mir Angst und Bang, auch nur einen Fuss in ein solches Vehikel zu setzen. Man kennt die Bilder von Japan, wo Bahnangestellte auf dem Perron mit weissen Handschuhen die Passagiere in den Zug drücken, bis sich die Türen schliessen. Eine derartige Erfahrung blieb mir gottlob erspart, und das, obwohl ich durchaus zu Stosszeiten unterwegs war.
Die 35-minütige Fahrt, ausschliesslich untertunnelt, führte über sieben Stationen mehr oder weniger direkt vor das Hotel Jin Mao Tower im Finanzviertel Pudong. Die meisten Passagiere sind pausenlos mit ihren Handys beschäftigt und auch das hierzulande verpönte Menspreading im ÖV ist in China offenbar noch gesellschaftstauglich. Mit nur grad mal 4 RMB, also rund 60 Rappen, ist dieses Transportmittel auch verhältnismässig preiswert, und selbst als nicht chinesisch sprechende Person kann man sich ohne nennenswerte Schwierigkeiten in jede beliebige Ecke der Stadt spedieren lassen. Alles im öffentlichen Verkehr ist auch in englischer Sprache angeschrieben. Fahrabenteuer und Aussicht auf ein wenig China-Feeling muss man in diesem System von Stollen und Untergrundhaltestellen nicht suchen. Es war sehr sauber, durch und durch top organisiert und erfüllte seinen Zweck, diese Armee von Menschen der aufstrebenden, arbeitenden Mittelschicht in der Gegend herumzukarren.
Kein Geschwindigkeitsrausch im Maglev
Die Heimreise begann dann mit etwas für mich ganz Neuem. Sie sollte mich in rund acht Minuten zum Flughafen Pudong bringen. Acht Minuten für 30 Kilometer! Kurz noch am Schalter, gegen Vorweisung meines Passes (den man als Ausländer in China besser mal stets auf sich trägt), ein Ticket von Lóngyáng-lù nach Pudong gelöst und ab auf das Perron. Und da stand er. Schlicht und unscheinbar. Die Rede ist vom Maglev, besser bekannt unter dem Namen «Transrapid». Übrigens sind wir damit auch wieder beim eingangs genannten «Fahrradweg». Bei dieser rund eineinhalb Meter breiten Betontrasse nämlich handelte es sich um den Fahrweg der futuristischen Magnetschwebeband, die mit Hilfe von Elektromagneten in die Schwebe gebracht und auch bewegt wird.
So bestieg ich diesen metallenen Elektroblitz deutscher Machart und freute mich auf den bevorstehenden Temporausch. Unterschiedliche Quellen berichten von 500 oder gar 600 Stundenkilometern, was aber zu meiner Enttäuschung nicht ganz der Wahrheit entsprach. Die Regelgeschwindigkeit beträgt nämlich «nur» 300 km/h. Lediglich während zwei kurzen Zeitfenstern von jeweils 45 Minuten düst der Transrapid mit 430 km/h darin. Was ja dann doch schon mal ordentlich schnell ist. Und so machte das erhoffte Hochgefühl eher einer behäbigen Gemütlichkeit Platz. Klar, die Landschaft flitzt auch bei Tempo 300 ordentlich schnell am Fenster vorüber. Wer aber schon mal mit dem TGV von Zürich nach Paris gedüst ist, kennt das.
40 Millionen Baukosten pro Kilometer
Obwohl der Maglev in Shanghai nach wie vor mit Stolz präsentiert wird, wird das wohl die einzige Strecke bleiben. Sämtliche Ausbaupläne wurden nach und nach auf Eis gelegt, abgebrochen oder aus nicht näher genannten Gründen eingestellt. Anscheinend sollen die Baukosten aber pro Kilometer heute bei rund 40 Millionen liegen. Was dann das Projekt Shanghai-Peking (1300 Kilometer) gekostet hätte, muss hier nicht vorgerechnet werden. Auch Pläne für eine Strecke rund um Shanghai scheiterten mehr oder weniger alle wegen der Kosten. Zuletzt spielt wohl auch die durchschnittliche Auslastung von lediglich 20 Prozent eine entscheidende Rolle, welche wohl durch den wesentlichen höheren Ticketpreis im Vergleich mit der Metro begründet sein dürfte.
Als Fazit sei eine Fahrt im Maglev trotzdem allen Shanghai-Besuchern empfohlen. Immerhin handelt es sich um nach wie vor die einzige Magnetschwebebahn der Welt, die kommerziell im Einsatz ist und mit Tempo 400 durch die Landschaft brettert. Ganz ehrlich: Das grosszügig vernetzte und penibel durchorganisierte Metro-System hat mich aber mindestens genau so beeindruckt.