Opulente, fabulöse Traumwelten auf Seide: Das ist die Spezialität aus dem Atelier Fiona-K. Für die VBZ hat sich die Designerin nun auch an das Design einer Schutzmaske gewagt. Mit Pinsel und einem Auge für Details. Was das Jahr 2020 sonst noch so bringt, verrät sie uns in einem Gespräch über ihr Wirken und die 20er-Jahre heute und gestern.
Spitzohrige Hasen mit blumenbesetztem Samt wünschen bunten Füchsen in Seidenkleidern gute Nacht. Auf seidenen Foulards räkeln sich Absinthfeen. Es wirkt ein bisschen wie eine Reise in Alices Wunderland, dieses Atelier. Mittendrin steht Fiona Knecht, die selber eine feenhafte Aura umgibt. Nicht nur, aber auch wegen der grossen Blüten, die sich in warmen Farben über ihre untere Gesichtshälfte ranken. Die Hygienemaske, ein modisches Accessoire? «Die Maske ist Pflicht, wir müssen uns daran gewöhnen. Ja, man kann sie als Modeaccessoire brauchen, aber natürlich geht die Schutzwirkung vor. Schlussendlich wollen wir alle gesund bleiben.» Kann man das Modell, das sie trägt, bei ihr kaufen? Sie winkt ab. Das Einzelstück habe sie nur für sich und ihre Familie gemacht: «Ich bin keine Schneiderin, und sowieso gibt es schon genügend andere, die Masken nähen, da brauche ich mich nicht auch noch reinzustürzen. Oder vielleicht später mal.» Die Designerin wirkt etwas ambivalent.
Trotzdem hat sie sich bereits reingestürzt. Genauer gesagt, konnte sie bequem einsteigen – in Tram und Bus nämlich. Die Fahrzeuge sind essentieller Bestandteil der Maske, die Knecht exklusiv für die VBZ entworfen hat. Warum die Ausnahme? «Die blauen Gefährte, die in Zürich herumkurven, sind so etwas wie Stadt-Ikonen. Sie prägen das Stadtbild enorm. Solch ein Thema zu bearbeiten finde ich sehr spannend.»
«Bearbeiten», das bedeutet bei Fiona-K, wie ihr Label heisst, noch echtes Kunsthandwerk. Weshalb das Atelier mitten im «Chreis Cheib» diese Bezeichnung mehr als verdient. Ja man könnte gar von einer Galerie sprechen, aber ganz sicher nicht simplifizierend von einem Textilgeschäft. Auch wenn hier natürlich vorab Textilien verkauft werden. Die Künstlerin Knecht bringt die Dessins für ihre Stoffe nach alter Väter oder Mütter Sitte eigenhändig per Pinselstrich mit Acrylfarbe zu Papier. Erst danach werden die Werke eingescannt und zu einer Collage zusammengeführt. «Dieses Vorgehen macht meine Handschrift aus», betont sie. Mittlerweile zählt ihre Sammlung über 1000 einzelne Bilder, die über die Jahre hinweg immer wieder mal in ihren Kollektionen aufploppen.
Tram, Bus und die Sehnsucht nach dem Rausch
Das harte Metall von Tram und Bus steht in offensichtlichem Kontrast zu den oft floralen, in doppeldeutiger Hinsicht aber stets fabelhaften Fantasiewelten, die Knechts Kreationen ausmachen. «Ich arbeite gerne in einem sehr breiten Feld», erklärt die Industrie- und Produktdesignerin. Tatsächlich spannt ihr Erfahrungshorizont einen beachtlichen Bogen: Dazu gehört der CD-Laden « cd studio», den sie einst mit ihren Eltern umgekrempelt und geführt hatte, ein Ausflug in die Publizistikwissenschaften wie auch das Engagement für die katholische Kirche – jenseits im Viadukt, und das ist wörtlich zu nehmen. Für diesen Begegnungsort entwirft sie Krippen und Weihnachtsinstallationen: Letztes Jahr etwa am erstmalig durchgeführten Weihnachtsmarkt auf dem Münsterhof. All das natürlich nicht auf altbackene Weise, sondern «immer in sehr modernen Interpretationen», lässt sie uns wissen und präzisiert: «Das reizt mich an solchen Aufträgen – die Frage, wie man die Inhalte der Kirche in eine moderne Sprache verpacken kann.» Daneben ist sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Lehrbeauftragte auch an der ZHdK engagiert.
Doch zurück zu Tram und Bus: «Ich habe noch nie so intensiv die Frontlichter von Bussen studiert», ächzt sie grinsend. Trotz der verschiedenen Fahrzeugtypen mit ihren unzähligen Details scheint ihr der Spass an dieser Arbeit nicht zu kurz gekommen zu sein. Die 34-jährige taucht nämlich gerne in andere Welten ein. Für ihre Kollektionen steht jeweils ein jährlich wechselndes Thema Pate. Bei der aktuellen Edition «Twenty-Twenty» geht es um die Sucht und Sehnsüchte der 20er-Jahre, also um Absinth ebenso wie um das Whiskybrauen, das während der Prohibition verboten war. Auch berauschende Untergrundparties gehören dazu, Opium und – etwas harmloser – die Sucht nach dem Mond und dessen übersinnlicher Aura. «Gewisse Themen leben wieder auf. Gerade die Sehnsucht nach dem All ist heutzutage sehr präsent – wennschon derzeit der Mars anstelle des Monds im Fokus steht.»
Worin liegt der Reiz dieser Materie? «Es hat sicher auch mit meiner eigenen Sehnsucht nach den 20er-Jahren zu tun. Eine Zeit, die einen unglaublichen Überfluss kreativen Schaffens hervorbrachte – im Grunde auch schon vor der Jahrhundertwende. Es wurde wahnsinnig viel gemalt, gestaltet und musiziert in dieser Zeit. Natürlich wurden auch die verrücktesten Dinge konsumiert – eine wilde Zeit.» Klingt etwas provokant, und so ist es auch gemeint. «Ich mag Arbeiten, die man entdecken oder über die man sprechen muss. Das darf durchaus auch provozieren», erwidert die Designerin keck.
Spagat zwischen den 20er- und den 20er-Jahren
Eine wilde Zeit ist ebenso das Jahr 2020, wenn auch in ganz anderer Hinsicht. Es ist ausserdem das Jahr, in der Knecht erstmals eine eigene Modekollektion lanciert. Während unseres Gesprächs klingelt der «Pöstler» und schleppt ein grosses Paket in das Atelier – die erste Ladung Seidenkleider. «Als ich beschloss, die Kleider im Jahr 2020 herauszubringen wusste ich natürlich noch nichts von Corona. Ich bin ein grosser Fan der 20er-Jahre. Mein Ziel war, diesen Spagat zu vollziehen zwischen den einstigen und den heutigen 20er-Jahren. Jetzt kommt halt alles etwas anders, als ich gedacht hatte», erklärt sie nachdenklich. Darin liegt eine Herausforderung, räumt sie ein, denn: «Messen sind abgesagt, es wird sicher schwierig, als Label sichtbar zu sein in dieser Zeit».
Sorgen machen muss sich Knecht aber trotzdem nicht. Durch ihre Offenheit für Neues und aller Gattung Aufträge schlage sie sich gut durch. Die Experimentierfreude ist aber nicht prioritär Corona geschuldet: «Ich bin so ein Typ Mensch, der immer neue Problemstellungen lösen will.» In erster Linie schlägt ihr Herz dabei für ihr eigenes Label, denn «das bin ich, da kann ich mich verwirklichen.» Doch auch dieses werde sich sicher in noch unbekannte Richtungen entwickeln, meint sie aufgeräumt: «Ich muss einfach immer wieder Neues ausprobieren. So wie jetzt die Kleider, und wer weiss, was als Nächstes kommt.»
Auch eine wilde Fantasiewelt braucht Planung und Struktur
Wo liegt der Quell für all die farben- und lebensfrohen Ideen? «Viele Leute glaube, meine Arbeit bestünde aus einem Fantasieschub und dann sprudle alles aus mir heraus». Das stimme zwar einerseits, bestätigt sie, trotzdem stecke sehr viel Planung und Struktur dahinter. Nicht nur zu den Themen mache sie sich Gedanken, sondern auch zur Herkunft und Verarbeitung der Stoffe. Die Konzepte strotzen vor Details, die ihre Bedeutung erst auf den zweiten oder dritten Blick offenbaren. Kleine Andeutungen, Allegorien, aber auch versteckte Kritik sei das, was ihre Designs zu etwas Besonderem werden lassen, meint die Künstlerin verschmitzt: «Das muss man sehen wollen, und sonst sieht man einfach die Stoffe. »
Da drängt sich doch die Frage auf, welche Geheimnisse in den Masken zu finden sind, die sie für die VBZ entworfen hat. «Das Design enthält Orte, an denen ich mich oft bewege – vom Prime Tower über das Viadukt bis zum Paradeplatz.» Nebst den eigenen Erinnerungen lassen aber auch die Schönheit der Stadtzürcher Kontraste, das Licht in der Nacht oder die Spiegelungen im Wasser die Designerin ins Schwärmen geraten.
Das Jahr 2020 zieht in den Herbst. Taucht schon ein neues Thema am Horizont auf? «Ja, im 2021 geht es um die Stadt-Land-Beziehung», verrät die Künstlerin. Gemeint sind aber nicht Pendler aus dem Aargau. Auch der Umstand, dass sie selbst am Stadtrand, auf der Waldegg nämlich, aufgewachsen ist, spielt eine untergeordnete, vielleicht gar unterbewusste Rolle. «Es geht zwar im weitesten Sinne um Klischees, diese sollen aber nicht oberflächlich abgehandelt werden. Sicher werden Tiere, die sich nachts in die Stadt schleichen, eine grosse Rolle spielen. Füchse oder Marder beispielsweise. Oder auch der Trend, in der Stadt Bienen auf den Dächern eine Heimat zu geben. Das sind Kontraste, die mich kitzeln.»
Die VBZ-Schutzmasken von Fiona-K
Exklusiv für die VBZ hat Fiona-K ihr Design in Hygienemasken einfliessen lassen. Die waschbaren, TESTEX-zertifizierten Masken entsprechen den Anforderungen der der Swiss National COVID-19 Science Task Force und werden von den VBZ in limitierter Auflage verkauft. Mehr Infos unter vbz.ch/lifestyle-linie