Er stinkt nicht, er duftet

Gerührt, nicht geschüttelt: Was so ein Käse und andere Beteiligte durchmachen, bis das Nationalgericht im Caquelon landet. Ein Besuch beim Chäs-Vreneli, das die Mischung fürs Fondue-Tram der VBZ herstellt.

Uns Schweizern muss man nichts erzählen. Die Milch im Käse kommt von der Kuh, und das Fondue schmilzt auch nicht wegen der schönen Aussicht auf Zürich – selbst wenn wir uns das mühelos vorstellen könnten. Wovon aber selbst die meisten Schweizer keine Ahnung haben: Was muss der Käse eigentlich alles durchmachen, bis er als würzig duftendes (jawohl, er stinkt nicht!) Nationalgericht im Caquelon landet? Um diese Frage zu beantworten, haben wir beim «Chäs-Vreneli» vorbeigeschaut.

Das «Chäs-Vreneli», jenes 96-jährige Traditionshaus, liegt im Münsterhof, also mitten im Herzen von Zürich. Es liefert das Fondue, welches während der Fahrt im Oldtimer-Tram vor sich hin blubbert, in langen Fäden auf die Gabel gedreht wird und schliesslich sein Aroma in den Gaumen der Gäste entfaltet. Gereift und verarbeitet wird der Käse jedoch nicht in einem alten Kellergewölbe in der Innenstadt – die Produktionsstätte des «Chäs-Vreneli» befindet sich in Kloten, unmittelbar neben dem Flughafen. Das hat seinen guten Grund: Der Käsespezialist beliefert nicht nur alteingesessene Zürcher, vorbeiflanierende Touristen und das Fondue-Tram, sondern auch Grossverteiler wie Coop, Migros und seit 30 Jahren verschiedene Fluggesellschaften.

Das «Chäs-Vreneli» im Münsterhof. (Bild: VBZ)

Käse nach Mass

Käse macht offensichtlich froh, denn in der grossen Produktionshalle, in der Menschen aus aller Herren Länder in Fliessbandarbeit die Laibe zu Scheiben verarbeiten, herrscht eine sichtlich gute Stimmung. Und so freut sich das Personal dann auch über den Besuch:  «Ein guter Arbeitsort» , nickt ein Mitarbeiter und lächelt.

400 Käsesorten kommen hier aus der ganzen Welt angerollt, die klare Mehrheit aus der Schweiz, Frankreich und England. Die naturbelassenen Laibe werden gereinigt, geschmiert und ganz oder teilweise von ihrer Rinde befreit. «Wir machen alles nach Mass, so wie es der Kunde wünscht», erklärt Jürg Wartmann, der Chef im Hause. Sogar der Tête-de-moine wird auf Wunsch in einzelne Röschen verpackt. Wer will sowas? «Dieser Tête-de-moine hier wird an ein Spital geliefert», erklärt Wartmann.

In einer Stunde gehen 6’500 Käsescheiben übers Laufband. Pro Tag ergibt das bis zu vier Tonnen Käse oder anders gesagt, bis zu 350’000 Portionen. Jeder Mitarbeiterin wird eine Sorte zugeteilt, die sie fein säuberlich auf den Käseplatten am dafür vorgesehenen Platz positioniert.

Auch Kundenkontakt ist an der Tagesordnung. Die Stewards und «Maître de Cabine» aus dem Fernen Osten, namentlich das Flugpersonal von Gesellschaften wie Cathay Pacific, Singapore Airlines oder Thai Airways, erfahren beim «Chäs-Vreneli» zum ersten Mal, wo dieses Milchprodukt überhaupt herkommt. In solchen Ländern kennt man keinen Käse aus Kuhmilch. Quark vielleicht, Joghurt auch, aber gewiss keinen Halb- oder Hartkäse. Deshalb besuchen die Gäste aus dem Ausland einen Bauern, eine Käserei und schliesslich die Produktion. «Viele empfinden das als unangenehm, die Gerüche und Geschmäcker auf dem Bauernhof und in der Käserei halten sie oft kaum aus», schmunzelt Jürg Wartmann. Am Anfang seien sie also etwas betrübt, bekämen dann aber Freude, denn «sie mögen keinen kalten Käse, warmen jedoch schon». Und so schaukeln die fremden Gäste schliesslich im Fondue-Tram durch Zürich. Die Spezialität, im Tram serviert, ist nicht nur ein Highlight, sondern für Menschen aus diesen Breitengraden nachgerade eine Sensation.

«Die Gäste schauen nämlich aus dem Fenster, anstatt fleissig zu rühren, und dann wird das Fondue irgendwann zu dick.»

Wo wir grad beim Tram sind, stellt sich natürlich eine besonders essenzielle Frage: Herr Wartmann, wird für diese VBZ-Fahrten eigentlich eine besonders zähflüssige Mischung zusammengestellt, damit der Käse in den Kurven nicht übers Caquelon schwappt? Er schüttelt den Kopf und sagt, es sei gerade das Gegenteil ist der Fall: «Fürs Fondue-Tram benötigen wir eine Mischung, die nicht so schnell abbindet». Die Gäste schauen nämlich aus dem Fenster, anstatt fleissig zu rühren, und dann wird das Fondue irgendwann zu dick. Sofern man diesem Unbill nicht mit dem richtigen Käse entgegenwirkt, was hier freilich getan wird. «Wir liefern eine fixfertige Mischung». Konkret heisst das, Käse aus dem Wallis: Bergkäse, Berg-Hartkäse, Raclette und Gomser Bergkäse, notabene alles «AOC», darauf wird hier Wert gelegt. Ferner dürfen der Fendant und Kirsch, «Goût de Milieu», nicht fehlen.

Schonend gerieben und am gleichen Tag geliefert

Geliefert wird die rezente Mischung dann in zehn Kilogramm schweren Kübeln, abgepackt in einzelne Portionen. Jährlich ziehen so Hunderte von Kilos an Käse im Tram durch Zürich. Käsereste übrigens werden nicht fürs Fondue verwendet: Die kommen in den Schmelzkäse für Airlines. Kein Food-Waste also beim «Chäs-Vreneli».

Damit jede Mischung einen gleichmässigen Anteil an allen Zutaten beinhaltet, wird die Mixtur aufs Kilogramm genau abgewogen. Das ist wichtig – «da bekommen Sie Vögel, wenn beispielsweise das Verhältnis zwischen Raclette und Gruyère nicht stimmt, da entstehen nämlich Klumpen, das ist unschön». Als weitere Massnahme, um einem solchen «Klumpenrisiko» entgegenzuwirken, wird der Käse langsam und schonend gerieben – würde er nämlich in einer schnellen Maschine verarbeitet und damit «gepresst», könnte sich dies negativ auf die Qualität auswirken.

Wie frisch ist nun diese Mischung? „Wir starten morgens um vier Uhr. Gegen 5 oder halb 6 Uhr wird der Käse gerieben, um 7 Uhr gemischt, und so gegen 9.30 Uhr erfolgt die Lieferung ans Zunfthaus zur Zimmerleuten. Letzteres nämlich macht den Catering-Service für das Fondue-Tram. Und so wird das Fondue noch am gleichen Abend serviert – na dann: «En Guete!»

Lust auf Fondue? Hier werden die Fäden gezogen.

Artikel teilen:

Wir verwenden Cookies, um Ihnen den bestmöglichen Service zu gewährleisten. Durch die weitere Nutzung der Website stimmen Sie unserer Datenschutzerklärung zu.
Mehr erfahren