Die Gleise am Römerhof sind in die Jahre gekommen und werden ersetzt. Vbzonline berichtet über den ersten spektakulären Gleisschlag, lange Vorbereitungen und engagierte Berufsleute.
Samstag-Vormittag, 29. Mai 2021
Ohrenbetäubender Lärm, viel Staub und Technik – Maschinen mit schweren hydraulischen Abbauhämmern dominieren die Gleisbaustelle Römerhof. Die erste von drei Etappen und damit der Abbruch und Neubau von knapp 1000 Metern Gleisen hat begonnen. Kurz nach Mitternacht wurde das Baugelände abgesperrt, Fahrleitungen ausgeschalten und Weichenantriebe ausgebaut. Am frühen Morgen rückte die Partnerfirma Kibag Bauleistungen AG mit zahlreichen Baumaschinen an: zwei Grossbagger, acht Pneubagger, acht Raupenbagger, 40 Lastwagen und zwei Planierraupen mit 3D-Steuerung warten auf ihren Einsatz. So kann der Gleisabbruch nach wochenlangen intensiven Vorbereitungsarbeiten, die vorwiegend nachts stattfanden, wie geplant beginnen. Zum Glück ist das Wetter warm und trocken, was die weit mehr als 100 Beschäftigten der Kibag, Partnerfirmen und den VBZ sehr schätzen. Denn für Abbruch, Abtransport von Beton und Schienen sowie diverse andere Arbeiten wie den Werkleitungsbau oder das Legen der Schienen steht nur ein kurzes Zeitfenster zur Verfügung.
Walter Pohlenz – der Oberbauleiter vor Ort
Ruhig und aufmerksam beobachtet Walter Pohlenz die Arbeiten. Der erfahrene und langjährige VBZ-Oberbauleiter kennt das Bauprogramm in- und auswendig, behält den Überblick und weiss mit Unvorhergesehenem umzugehen. Kurzum, er trägt die Verantwortung vor Ort und zieht auch auf seiner letzten Baustelle vor der Pensionierung alle Fäden in der Hand. Seit 2008 ist Walter Pohlenz Oberbauleiter Fahrweg. An den VBZ gefällt ihm vor allem die Vielfalt: «Ich schätze sehr, dass hier so viele Menschen aus verschiedenen Berufen zusammenarbeiten, sei es in den Werkstätten, im Gleisbau, Betrieb oder im Büro.» Und genau das wird er auch am meisten vermissen, wenn er Ende Juli sein aktives Berufsleben beendet.
Tramgleise – rund 30 Jahre Lebenszeit
Während der Betriebszeiten sind Tramgleise extremen Belastungen ausgesetzt. Jahrein, jahraus rollen die tonnenschweren Fahrzeuge über die Schienen und verschleissen kaum wahrnehmbar – besonders im Bereich von Kurven, Steigungen und Weichenanlagen, wo die Lebensdauer leicht auf 20 Jahre und weniger sinken kann. Das macht periodischen Gleisersatz unumgänglich. Klingt leichter als getan: «In der Regel brauchen wir für ein Projekt dieses Ausmasses bis zu zehn Jahren Vorlaufzeit», erklärt Walter Pohlenz. Denn es sind jeweils verschiedene Dienstabteilungen der Stadt Zürich, Ingenieurbüros, Unternehmen und die Bevölkerung involviert. Zudem sind am Römerhof weitere Anpassungen notwendig: Fussgängerquerungen werden verbessert, alte Strassenbeläge ersetzt sowie Fahrleitungsanlagen und die Haltestelleninfrastruktur erneuert und die Kanalisation von ERZ Entsorgung + Recycling Zürich saniert.
Von der Projektierung zum Bau
Im Vorfeld führt David Borschberg, Leiter Bauprojektmanagement bei den VBZ, notwendige Management- und Projektierungsaufgaben aus. Der Bauingenieur bringt aus verschiedenen Bereichen viel Erfahrung mit. «Es fehlte mir aber oft der Bezug zur Projektpraxis. Dieser Job bringt mich zurück zu meinen Wurzeln, nämlich der Projektierung und Realisierung von Bahntechnikprojekten. Zu sehen, wie sich ein Projekt entwickelt und umgesetzt wird, macht mir viel Freude und motiviert mich täglich.» Dabei hat jedes Bauprojekt eine eigene Mannschaft mit vielen Mitarbeitenden, speziellen Herausforderungen und Tücken. David Borschberg kümmert sich mit seinem Team etwa um Baubewilligungen, die Ausschreibung und Vergabe der Gleisanlagen und trifft in städtischen Ausschüssen Variantenentscheide. Auch Einsprachen beschäftigen ihn. «Und natürlich müssen wir Unvorhergesehenes wie fehlende Maschinen oder mögliche Terminverschiebungen wegen des Wetters in der Planung berücksichtigen», erklärt er.
Hohes Tempo, unglaubliche Leistungen
Zurück zur Baustelle: Im kurzen Zeitfenster muss jede Minute genutzt werden: Rund 110 Personen waren mit dem Abbruch, weitere 30 mit dem Werkleitungsbau beschäftigt. Die alten Gleise, 300 Kubikmeter Belag, 1700 Kubikmeter Betonabbruch und 900 Kubikmeter Aushubmaterial wurden abgeführt und 900 Kubikmeter Recycling-Kies für die neue Planie geliefert. Anschliessend erfolgten der Werkleitungsbau sowie die Gleisabsteckung und am Sonntagmorgen der Antransport der Schienen und das Verlegen der Gleisanlagen. «Neben den bereits in der Vorbereitungszeit gebauten ‹dritten Gleise› wurden 540 Meter neue Gleise, dazu zahlreiche Weichen, Schienenkreuzungen, Gleisjochen sowie mehrere 100 Meter Werkleitungen verlegt, gerichtet, verspriesst, geschweisst und betoniert», erläutert Tobias Imhof, Teamleiter Oberbauleitung. Diese vielen Arbeiten dauerten ohne Unterbruch bis Dienstagmorgen.
Eine Gleisanlage entsteht
Bevor alle Gleise millimetergenau verlegt und fixiert werden, war viel Koordination und Vorlauf für ihre Herstellung nötig – wie die Berechnung der Gleisgeometrie, die Bestimmung der technischen Lieferbedingungen und dem Submissionsverfahren. Im Anschluss wurde die Gleisanlage konstruiert und nach bestandener Überprüfung im Weichenwerk gefertigt und abgenommen. «Dazu musste die Anlage komplett ausgelegt werden, um sie auf Vollständigkeit der Funktionen und Bestandteile zu prüfen», so David Borschberg. Im Mai wurden die Gleise per LKW angeliefert, wo in der VBZ-Gleisbauwerkstatt die Endmontage der Anlage durch das Werkstattteam – wie gewohnt, zuverlässig und rasch – erfolgte. Sonntagmorgen wurden die Anlagen mit Lastautos zur Baustelle geliefert, wo Gleisarbeiter rund um die Uhr konzentriert arbeiteten. Mit Laser wird die korrekte Lage der Schiene in der Horizontalen geprüft und mittels Wasserwage und einem speziellen «Massstab» die gerechnete sowie die Gleisüberhöhung überprüft. Dazu ist viel Erfahrung nötig und keine noch so kleine Abweichung darf man übersehen, denn ist der Beton fest, sind Korrekturen kaum noch möglich. «Zum Glück konnte ich mich immer auf mein Team verlassen», freut sich der Oberbauleiter, der für die Gleisabnahme verantwortlich war, die vor dem Einbringen des Unterbetons erfolgte. «Die Realisierung aller Arbeiten mit dem Ziel, dass nach dem Wochenende das Tram jeweils wieder fährt, haben alle mitgetragen.»
Die Ausarbeitung von Bau- und Detailbauprogrammen oder die Einteilung der vielen Mitarbeitenden sind nur einige der vielen Aufgaben von Bauführer Ken Baumberger. «Eine knifflige und schöne Aufgabe bei so vielen Personen und verschiedenen Arbeiten in kurzer Zeit auf engem Raum», meint er. Und damit unsere Fahrgäste trotz Baustellen zum Ziel kommen, engagiert sich das Team «Planbare Betriebsänderungen» und erstellt Umleitungskonzepte, organisiert Ersatzhaltestellen und die Fahrgastkommunikation.
Chapeau und weiter viel Erfolg
Am 1. Juni, um 5 Uhr, war der erste Gleisschlag am Römerhof Geschichte. Nach den Aufräumarbeiten, der Freigabe aller Anlagen und dem Einschalten der Fahrleitungen rollte das erste Tram über die neuen Schienen. Noch im Juli stehen das zweite und dritte Gleisbauwochenende an. Danach übergibt Walter Pohlenz an seinen Nachfolger, Tobias Imhof, der sich auf die neuen Herausforderungen freut. «Und besonders darüber, dass wir jeweils am Ende vom Tag sehen, was wir getan haben.»