Wer als Freiwilliger im ÖV-Begleitdienst des Zürcher Roten Kreuzes mithilft, muss auf Zack sein – und offen für Menschen.
Das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) Kanton Zürich und die VBZ bieten seit kurzem einen Begleitdienst für ältere Menschen an, die trotz Gehschwierigkeiten weiterhin im ÖV sicher zu ihren Arzt- und Therapieterminen gelangen möchten.
In unserem Fall ist es Elsbeth Huber*, die mit dem Bus vom Hönggerberg zum nahegelegenen Waidspital begleitet werden soll, wo sie in der Therapiestunde neue Kraft für den Alltag tanken kann. Es ist kurz vor 14 Uhr: Nur noch wenige Schritte bis zu jener Türe, hinter der Frau Huber wohnt. Das Handy klingelt. Es ist Christian Zühlke, der freiwillige Begleiter des Zürcher Roten Kreuzes. «Frau Huber ist schon im Waidspital – obwohl ich eine halbe Stunde früher da war», meldet er fröhlich. «Kommen Sie doch bitte direkt zum Spital – wissen Sie, Frau Huber macht sich manchmal eben selbständig.»
Genau darum geht es beim Begleitdienst des SRK Kanton Zürich: Die Selbständigkeit älterer Menschen möglichst lange aufrecht zu erhalten und dafür zu sorgen, dass sie trotzdem wohlbehalten per Tram und Bus zu ihrem Arzt- oder Therapietermin kommen.
Statt Skifahren etwas Gescheites tun
Eine Stunde dauert die Therapie von Elsbeth Huber. Während dieser Zeit geht der gelernte Banker meistens ein bisschen spazieren. Wie wird man überhaupt Freiwilliger beim Zürcher Roten Kreuz? «Ich habe mir ein Jahr Auszeit von der Arbeit genommen. Anfangs war das lustig. Skifahren, Ausflüge, was man halt so macht. Dann aber wurde es langweilig.» Im Tram sei er auf das Angebot des SRK aufmerksam geworden. «Wissen Sie, ich kann es gut mit älteren Menschen», sprudelt es aus ihm hinaus, «die haben Lebenserfahrung. Ich könnt ausrasten, wenn ein junger Schnösel alte Leute verschaukelt oder im Bus keinen Platz macht. Da werd ich sofort aktiv!»
Aktiv, das ist er fürwahr, der Christian Zühlke. Auf der anderen Seite aber auch die Gelassenheit in Person. Weshalb es ihn auch nicht stört, dass er als Freiwilliger keinen Lohn für seine Einsätze erhält; dass sein «Verdienst» einzig aus den Begegnungen mit den Betagten und der Tatsache besteht, etwas Sinnvolles zu tun. Deshalb überrascht es auch nicht, dass er auf die Frage, ob ihm die sicher auch von Leid geprägten Geschichten dieser älteren Menschen nicht auch unter die Haut gingen, antwortet: «Ach, wissen Sie, ich hab in meinem Leben noch nie schlecht geschlafen. Ich kann mich gut abgrenzen.» Neue Freundschaften seien deshalb weder ein Thema noch das Ziel: «Ich würde sicher noch auf einen Kaffee mitgehen, falls das jemand möchte. Doch primär geht es mir um den guten, professionellen Umgang. Und darum, etwas Gescheites zu tun.»
«Ich könnt ausrasten, wenn ein junger Schnösel alte Leute verschaukelt oder im Bus keinen Platz macht. Da werd ich sofort aktiv!»
Die Therapiestunde ist zu Ende. Jetzt ist das Ziel, Frau Huber aufzustöbern, bevor sie wieder alleine in den Bus steigt. «Wissen Sie, Frau Huber ist eben noch rüstig. Sie hat ja sogar noch einen eigenen Schrebergarten. Aber ihr Arzt sagt, sie darf im Moment nicht alleine unterwegs sein.» Natürlich sind nicht alle Klienten so eigenständig. Manche sind sehr ängstlich, machen alleine kaum einen Schritt.
Im Therapieraum befindet sich Frau Huber nicht mehr, also spurten wir wieder zur Eingangstüre, wo wir sie schliesslich finden. Eine in sich ruhende Dame: Es scheint, als fände sie selber den ganzen Wirbel etwas überflüssig. Trotzdem ist ihre Dankbarkeit spürbar, und sei es nur im Wissen um die gute Absicht. «Wir dachten schon, sie seien wieder weg», verwirft Zühlke lachend die Hände. Und wie er das sagt, meint man, ein leises Schmunzeln über Frau Hubers Gesicht huschen zu sehen.
So lange wie möglich selbständig bleiben
Vorne an der Haltestelle fährt auch schon der Bus ein. «Ich rede mit dem Busfahrer, sonst warten wir nämlich eine halbe Stunde», sagt Zühle hastig, dann legt er einen Sprint hin. Auch Frau Huber versucht, mit ihrem Rollator etwas schneller zu gehen. Die Mühen werden belohnt, der Bus wartet. Vier Haltestellen Fahrt verbleiben. Auf die Frage, wer denn die Begleitung bestelle, wenn sie diese doch so offenkundig nicht für nötig halte, meint die alte Dame entspannt: «Die Spitex». Sie sei ja zeitlebens in Tram und Bus unterwegs gewesen, «und ich möchte das noch weiterhin so lang wie möglich selber schaffen».
Frau Huber strahlt die gesammelte Ruhe einer Frau aus, die unbeirrt tut, was in ihrer Kraft liegt, und gleichzeitig die Hilfe zu schätzen weiss, die man ihr zukommen lässt. Zühlke nimmt seinen Schützling am Arm, die beiden wirken vertraut. Langsam gehen sie den Hang hinauf, zurück zu Frau Hubers Wohnung. Dort wird er ihr helfen, anzukommen, bis schliesslich die Türe hinter ihm ins Schloss fällt.
*Name geändert
So funktioniert der ÖV-Begleitdienst
Interessierte Personen, denen eine Begleitperson für die Fahrt zu einem medizinischen Termin fehlt, reservieren die Fahrt mindestens eine Woche im Voraus bei der freiwilligen Einsatzleitung vom Zürcher Roten Kreuz (Montag, Mittwoch und Freitag von 9 bis 11 Uhr unter Tel. 079 477 31 11). Die Begleitungen sind jeweils von Montag bis Freitag möglich. Eine freiwillige Begleiterin oder ein Begleiter holt die Person zum vereinbarten Termin zu Hause ab, bringt sie ans Ziel, wartet dort und begleitet sie wieder zurück. Zur Deckung der Kosten bezahlt die begleitete Person lediglich das Ticket für sich und für die freiwillige Person. Weitere Informationen sowie ein Kurzvideo über den ÖV-Begleitdienst finden Sie auf der Webseite des Schweizerischen Roten Kreuzes.