Eine Ode an die unscheinbaren Erfolgsfaktoren

Wenn man an den öffentlichen Verkehr denkt, fallen einem zuerst die Fahrzeuge ein, in zweiter Linie denkt man vielleicht an den attraktiven Fahrplan oder das dichte Liniennetz. In diesem Beitrag soll aber für einmal von teilweise unsichtbaren, aber nicht minder wirkungsvollen Elementen die Rede sein.

Bilder: Rico Rosenberger
Ein Artikel aus dem Magazin 2030

Die anerkannte Mercer-Studie bestätigt, dass «die ausgezeichneten öffentlichen Verkehrsmittel» Zürich auf Platz zwei der besten Städte der Welt bringen. Tatsächlich ist ein intelligent organisiertes öffentliches Verkehrsnetz sowohl für die Lebensqualität wie auch für die Wirtschaftskraft einer Urbanzone von zentraler Bedeutung – der städtische Verkehr, mit täglich mehreren hunderttausenden Verkehrsbewegungen und Teilnehmenden, würde in ein bombastisches Chaos ausarten, wenn nicht ordnende, gestaltende Kräfte eingreifen würden.

Der öffentliche Verkehr trägt viel zur Lebensqualität von Zürich bei.

Grundsätzlich geht es immer um zwei zentrale Fragen: 1. Zu welchen Kosten und mit welchem Zeitaufwand erreichen Menschen, die sich in einer Stadt bewegen, ihr Ziel? 2. Wie viel Verkehrsfläche beanspruchen sie dafür? Zürich löst diese grossen Aufgaben trotz enger Platzverhältnisse seit vielen Jahren sehr geschickt. So geschickt, dass es für viele europäische Städte und Verkehrsplaner als Musterbeispiel gilt.

Drei Elemente bilden dabei das Rückgrat dieses Modells: Eigentrasses und Busspuren, die Bevorzugung des öffentlichen Verkehrs bei den Lichtsignalanlagen und ein datengesteuertes Betriebsleitsystem.

Kampf um jeden Meter Eigentrassee und Busspur

Wenn man einen kostengünstigen, effizienten und qualitativ hochstehenden öffentlichen Verkehr will, muss man dafür sorgen, dass die Trams und Busse im dichten Verkehr gut vorwärtskommen: Modernste und komfortabelste Fahrzeuge nützen nichts, wenn sie stecken bleiben. Eigentrasses und separate Busspuren sind die wirkungsvollsten Massnahmen, um einen flüssigen Verkehr zu gewährleisten. So befördert zum Beispiel eine Tramlinie auf einer Fahrspur pro Stunde rund 8000 Personen. Um gleichviele Personen mit Autos zu befördern, wären zehn Fahrspuren notwendig.

Vorwärtskommen auf der Hardbrücke: Separate Busspuren für einen flüssigen ÖV.

Die Stadt Zürich verfolgt in ihrer Mobilitätsstrategie das Ziel, das ganze künftige Wachstum mit umweltfreundlichen Verkehrsmitteln zu bewältigen – und setzt dabei hauptsächlich auf den öffentlichen Verkehr. Prognosen gehen bis ins Jahr 2030 von einer Fahrgastzunahme von 30 Prozent aus. Das bedeutet: Zu den aktuell 324 Millionen Fahrgästen auf dem VBZ-Netz kommen weitere 100 Millionen hinzu. Damit die Verkehrsbetriebe diese Herkulesaufgabe bewältigen können, werden sie sich weiterhin engagiert für jeden Meter Eigentrasse und Busspur einsetzen.

Interessant ist, dass die Kosten dafür verhältnismässig gering sind; oft genügen gelbe oder weisse Streifen auf dem Asphalt. Entscheidender sind der Wille und die Überzeugung aller Beteiligten zur Durchsetzung solcher Massnahmen. Seit längerer Zeit harren auf dem VBZ-Netz zwei anspruchsvolle Engpässe einer Lösung: Auf der Bahnhof- und der Quaibrücke stösst der öffentliche Verkehr an seine Kapazitätsgrenzen.

Die Wartezeit ist nahezu Null

In Zürich geniesst der öffentliche Verkehr ein Privileg, um das uns viele Städte beneiden – nämlich die Bevorzugung bei den Lichtsignalanlagen. Tram und Bus können das computergesteuerte System beeinflussen und die Verkehrsknoten mit einer Wartezeit von nahezu null Sekunden befahren. Dieser Durchbruch zugunsten des ÖV gelang, als man begann, das Verkehrsgeschehen aus einer völlig andern Optik zu betrachten – und die Verkehrsströme neu wie Warenflüsse organisierte.

Dabei definiert man an einer Kreuzung die Autos als feste statistische Grösse. Tram und Bus jedoch nimmt das System mathematisch gesprochen, als «seltenes statistisches Ereignis» wahr. Wenn dieses (in der Regel alle 7,5 Minuten) eintritt, sollten Tram und Bus die Verkehrsknoten mit höchstens geringer Verzögerung passieren können – derweil die ganze übrige Zeit den andern Verkehrsteilnehmern zur Verfügung steht. Trotz dieser Bevorzugung profitiert auch der Privatverkehr von dieser Regel: Statt starre Grünphasen wird ein agiles Time-Management praktiziert, das eine deutlich grössere Verkehrsmenge bewältigen kann. Dieser kreative Denkansatz, gepaart mit einem leistungsfähigen Verkehrsmanagement, sorgt täglich dafür, dass Zürich mobil bleibt.

Täglich 2,4 Mal um die Erde – und dennoch pünktlich

Wer kennt sie nicht, die «Durchsage der Leitstelle», die seit 1973 durch Tram und Bus, über Plätze und Haltestellen halt. Was man primär als Kommunikationsmittel wahrnimmt, ist ein hoch leistungsfähiges, datengesteuertes Betriebsleitsystem. Oder emotionaler ausgedrückt: Es ist das Herz der VBZ.

Das System erfasst auf einen Meter genau, wo sich jedes Tram, jeder Bus befindet – und errechnet laufend den Unterschied zwischen der Fahrplanzeit (Soll) und der Ist-Situation. Diese Informationen ermöglichen den Verkehrsleitern, die sich anbahnenden Probleme im Betriebsablauf rechtzeitig zu erkennen, klug zu intervenieren, die mühsamen Auswirkungen von Zwischenfällen einzugrenzen und Fahrgästen alternative Fahrmöglichkeiten anzubieten – immer mit dem Ziel, den geplanten Sollzustand so rasch wie möglich wieder herzustellen. Natürlich spielt dabei die Erfahrung eine zentrale Rolle: Langjährige Verkehrsleitende entwickeln ein fast seismographisches Gespür für den «Rhythmus» der Stadt und dafür, wie der Verkehr gerade tickt.

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Die Wirkung des Betriebsleitsystems geht aber über das aktuelle Tagesgeschehen hinaus: Durch die minutiöse Aufzeichnung der Rechner können neuralgische Stellen, an welchen Fahrzeuge regelmässig ins Stocken geraten, rasch sichtbar gemacht, analysiert und durch gezielte Massnahmen entlastet werden. Dabei ist jede einzelne Massnahme für sich oft nicht spektakulär. In der Summe jedoch führen sie dazu, dass die VBZ-Fahrzeuge (die streckenmässig jeden Tag 2,4 Mal die Erde umrunden) ihre täglich 900’000 Fahrgäste ausnahmslos mit grosser Pünktlichkeit an ihr Ziel bringen.

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