«Eine Lesung im Tram hat immer eine besondere, intime Atmosphäre»

Die Schweizer Bestsellerautorin Milena Moser liest diesen Sonntag im Tram durch Zürich aus ihrem topaktuellsten Roman «Der Traum vom Fliegen».

Ein besonderer Gast beim diesjährigen Buch- und Literaturfestival «Zürich liest» (25. – 29. Oktober 2023) ist die bekannte Zürcher Schriftstellerin Milena Moser. In ihrem am Montag erschienenen Roman «Der Traum vom Fliegen» möchte sie der nun 20-jährigen Sofia, welche wir in «Land der Söhne» und «Mehr als ein Leben» kennenlernten, eine Stimme geben. Es geht um unerwartete Freundschaften, mentale Gesundheit, erste Liebe und schlussendlich auch ums Fliegen. Milena Moser fliegt zwar nicht, fährt aber am 29.10. lesend im Tram durch Zürich. Sie hat uns einige Fragen zum Roman beantwortet und erklärt, was sie mit Zürich und den VBZ verbindet.

Auf was freuen Sie sich bei ihrer Lesung im Tram durch Zürich?

Ich freue mich vor allem auf die Begegnungen mit meinen Leser*innen, denen ich Geschichten über das Leben auf zwei Kontinenten erzählen – und natürlich aus dem neuen Roman vorlesen werde. Eine Lesung im Tram hat immer eine besondere, intime Atmosphäre.

Sie haben ihre Wurzeln in Zürich, leben aber zurzeit in San Francisco, wie verbunden sind Sie mit Zürich?

Ich komme mindestens zweimal im Jahr nach Zürich, meine Familie ist hier, meine Freundinnen und Freunde, mein Verlag. Ich bin Zürich sehr verbunden – und auch dem Tram. Seit ich einmal eine echte Fahrstunde geschenkt bekam – ich glaube, das war 1993? – fühle ich mich quasi als Teil des Teams.

Wie beeinflusst Ihre Herkunft Ihr Schreiben und Ihre Figuren?

Mein Alltag beeinflusst mein Schreiben vermutlich mehr als meine Herkunft. Was ich wichtig finde, wie ich die Welt sehe, was ich erlebe, was ich träume, das fliesst alles in meine Geschichten ein, und verändert sich mit mir.

Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?

Ich habe immer schon geschrieben. Geschrieben und gelesen, das gehört für mich untrennbar zusammen. Als Kind waren Geschichten geheime Gegenwelten, in die ich mich flüchten konnte, ob ich sie nun zwischen zwei Buchdeckeln fand oder in ein altes Schulheft kritzelte…

Wir lernen die Familie Gomez-Bernasconi und die dort zwölfjährige Sofia schon im Roman «Land der Söhne» kennen. Sofia ist nun eine junge Erwachsene. Was hat Sie bewogen bei dieser Familie zu bleiben?

Während ich «Mehr als ein Leben» schrieb, hörte ich immer wieder Sofias Stimme, die sagte, sie wolle ihr eigenes Buch, sie habe noch mehr zu erzählen. Dieses Gefühl hatte ich auch, und dem bin ich gefolgt. Es sind immer die Figuren, die meine Geschichten bestimmen.

Die Bestsellerautorin besucht gerne ihre Familie und Freunde in Zürich. Bild: Barak Shrama

Ihre Hauptfigur, Sofia, ist 20 Jahre alt und somit eine Vertreterin der Gen Z. Was hat Sie dazu bewegt, über diese Generation zu schreiben?

Das war keine bewusste Entscheidung, Sofia ist einfach so alt, sie steht nicht stellvertretend für eine ganze Generation. Mich beschäftigt die Vorstellung, jetzt am Anfang des Lebens zu stehen und die eigene Zukunft von all diesen komplexen Desastern überschattet zu wissen. Ich fühle wie die alte Ärztin, die einmal zu Sofia sagt: «Ich bewundere dich, ich bewundere deine ganze Generation. Ihr seid Helden. An jedem Tag, an dem ihr aufsteht und euch der Welt stellt, seid ihr Helden.»

Wie kamen Sie auf die Idee, Sofia fliegen zu lassen? Und was steckt hinter dem Fliegen?

Als ich Sofia aus dem Fenster fliegen sah, war ich erst einmal konsterniert: Was soll denn das jetzt, dachte ich. Ich interessiere mich nicht für Fantasy oder Superhelden. Aber mit der Zeit wurde klar, dass es um unsere Eigenheiten geht, die Züge, die uns von anderen unterscheiden, die uns bestimmen. Die können zum Problem werden – oder eben zur Superkraft.

Ihr Roman handelt in der Privatklinik Los Pajaritos, wo die mentale Gesundheit omnipräsent ist und in vielen Variationen vorkommt. Was reizt Sie über dieses Thema zu schreiben?

Das ist ein Thema, das mich sehr beschäftigt. In Amerika gibt es ja praktisch keine psychiatrische Behandlung mehr, und die Folgen sieht man an jeder Strassenecke. Ich sehe auch in meinem Umfeld, das sehr gemischt ist, von den Lebensumständen aber auch vom Alter her, dass psychische Probleme, Angststörungen, Depressionen massiv zunehmen. Kein Wunder, eigentlich, wenn man sich die Welt anschaut…

Nicht nur Sofia, sondern auch ihre neuen Freunde sind sehr komplexe Figuren mit zum Teil schwierigen Vergangenheiten. Wie entwickeln Sie Ihre Charaktere und deren Geschichten?

Für mich ist es mehr ein Kennenlernen als ein Entwickeln, ähnlich wie im realen Leben. Ich sehe jemanden vor mir, habe einen ersten Eindruck, der sich dann später relativiert. Meine Figuren sind immer vielschichtig und widersprüchlich – wie reale Menschen eben. Keine Kopfgeburten.

Denken Sie an eine Fortsetzung von «Der Traum vom Fliegen»?

Nein, ich habe bereits eine neue Geschichte angefangen, die im Summer of Love spielt, und da kommt bisher wenigstens, niemand aus Sofias Welt vor.

«Der Traum vom Fliegen» ist diesen Montag erschienen.
Programm Tram-Lesungen am Sonntag, 29. Oktober

Krimitram mit Benjamin Stückelberger (12:00 - 12:55 Uhr)

Krimitram mit Saskia Gauthier (13:30 - 14:25 Uhr)

Krimitram mit Seraina Kobler (15:00 - 15:55 Uhr)

Tram durch die Stadt mit Milena Moser (16:30 - 17:25 Uhr)

Weitere Infos unter Zürich liest.










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