Die neue Limmattalbahn und ein besseres Busangebot: Per 11. Dezember 2022 bewegt sich einiges im Limmattal. Auf diesen Anlass hin stellen wir in einer Mini-Serie Menschen vor, die im Limmattal ebenfalls etwas bewegen. Heute: Maria Anna Weber, Künstlerin, Geschäftsfrau und Haupteigentümerin des Bruno-Weber-Parks.
Im Grunde begann alles im Hotel Krone im Dietikon. Was gar nicht einmal so unpassend ist, denn wo eine Krone ist, ist ein Schloss, und dieses Schloss thront heute hoch über Dietikon. Und das, obwohl die «Schlossherrin», die die Geschichte der Stadt so mitgeprägt hat, eigentlich eine gebürtige Österreicherin ist – und das «Schloss» mitsamt Umschwung genau genommen auf Spreitenbacher Grund steht. Die Rede ist vom bekannten «Bruno-Weber-Park», der vom gleichnamigen Künstler und seiner Frau Maria Anna Weber gebaut wurde.
Es war eine Zeit des Umbruchs, nicht nur für die 18-jährige, die just in die Schweiz, genauer gesagt nach Dietikon, gezogen war. Die Rolling Stones hatten in jenem Jahr 1964 ihre erste Langspielplatte veröffentlicht. Das Leben der junge Keramikerin war zunächst aber alles andere als «Rock’n’Roll». Um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen, jobbte sie als Kellnerin im eingangs genannten Hotel. «Als Ausländerin hatte man damals die Wahl zwischen Haushalt und Service. Haushalt ist nicht mein Ding. Service eigentlich auch nicht», meint Weber schmunzelnd. Lehrreich war es trotzdem. Einerseits, weil sie ihre Menschenkenntnisse vertieft habe – «man lernt Menschen von einer ganz anderen Seite kennen, mit all ihren Schwächen und Stärken» –, andererseits, weil sie ein Jahr nach Stellenantritt in der «Krone» eine bedeutsame Bekanntschaft gemacht hat. Nämlich jene mit ihrem zukünftigen Mann, Bruno Weber.
Man nannte ihn «der mit den Holz-Zockeli», oder den «Velo-Weber», weil er Velo fuhr. «Er war anders. Das fand ich spannend», meint sie und lächelt. Trotzdem sei es nicht Liebe auf den ersten Blick gewesen, höchstens was seine Kunst anbelangt: Seine Bilder hätten sie sofort in ihren Bann gezogen. «Ich war an einem zutiefst katholischen Ort aufgewachsen und sowieso der Überzeugung, mindestens ein Jahr müsse man sich schon kennen, ehe man eine Beziehung eingeht»: Ganz so lange habe es dann aber doch nicht gedauert, wie sie verschmitzt offenbart.
Ein Multitalent erkennt man am Gesicht
Bald schon sah man die beiden Seite an Seite ihr gemeinsames Lebenswerk aufbauen. Als die Keramikerin ihren Mann kennenlernte, war er nämlich im Begriff, ein Bett mit Löwenköpfen zu schnitzen. Die junge Frau krempelte die Ärmel hoch und übernahm das Schleifen der Köpfe. Es sollte nicht dabei bleiben, wennschon sie zu Beginn der Beziehung von Zweifeln geplagt gewesen sei, ob sie den Aufgaben an der Seite eines Künstlers gewachsen sei. «Ich bin eigentlich eher ein Landei», so ihre damalige Einschätzung. Solcherlei Bedenken habe der 15 Jahre ältere Weber aber salopp beiseite gewischt. Dass sie die Richtige für die Aufgabe sei, «erkenne ich an der Physiognomie», soll er gesagt haben. Er sollte recht behalten.
Die tüchtige Frau mutierte zur «Bodenlegerin». Ihre Arbeit liegt beispielsweise in Form von Bsetzisteinen im Platz vor dem Haus, als Mosaik im Ess-Saal, im Schlafzimmer und in Labyrinth-Marmormosaikboden. Sie stampfte Beton und knüpfte: den Teppich mit dem Weltenrad etwa. Neben dem Handwerk war die kluge Frau für das Management und die Administration verantwortlich und schmiss den Haushalt. Der 2011 verstorbene Ehemann sei nämlich ein «Künstler durch und durch» gewesen, im Geiste immer bei seinen Ideen.
Beton in der Kunst und Steine auf dem Weg
Als der Park seine ersten, fantasievollen Formen annahm, sei die Stadt Dietikon extrem am Wachsen gewesen. «Das ist, wie wenn ein Mensch 20 Kilo pro Jahr zunimmt», so die Einschätzung des Malers und Bildhauers. Mit seiner Kunst habe er eine Gegenwelt schaffen wollen, um aufzuzeigen, dass man mit Beton noch anderes machen kann, erinnert sich die Witwe.
Dass diese Welt tatsächlich Realität wurde, ist nicht so selbstverständlich. Der Atelier-Bau wurde 1962 vom damaligen Gemeindeammann bewilligt. 1977 begann Weber den Turmbau in der Hoffnung, man werde anerkennen, dass ein Kunstwerk am Entstehen ist. Es kam aber anders, bald flatterte eine Abrissverfügung für den sich im Bau befindlichen Turm ins Haus. Unterstützung erhielt das Paar von verschiedenen Seiten, so vom Architektenverband oder vom damaligen Aarauer Kunsthausdirektor Heini Widmer, der ankündigte, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um das Projekt zu retten. Ebenso habe ihnen das Schweizer Fernsehen, genauer gesagt deren Kultur-Redaktor Peter K. Wehrli, den Rücken gestärkt. Letzterer habe einen Film ausgestrahlt, der mit der Bemerkung endete: «Die Schweizer reisen wegen Antonio Gaudì nach Barcelona, aber wenn in der Schweiz ein Künstler ein aussergewöhnliches Bauwerk erstellen will, legt man ihm Steine in den Weg.».
Dieser steinige Weg nahm rund 20 Jahre in Anspruch, er endete mit einer Augenscheinverhandlung unter Beisein von Behörden und Staatsanwalt vor Ort begann: «Meine Herren, stellen Sie sich vor, ab morgen steht der Armee ein Künstler als oberster Befehlshaber vor. Das, was Sie jetzt tun, dass Beamte über Kunst bestimmen, ist umgekehrt genau dasselbe», soll der Bildhauer gesagt haben. Die Wirkung blieb nicht aus. Im Jahr 1988 wurde an der Gemeindeversammlung in Spreitenbach die sogenannte «Weinrebe» beinahe einstimmig zur Kulturzone erklärt.
Heute ist der weit über die Landesgrenzen hinaus bekannte Skulpturenpark ein beliebtes Ausflugsziel und gehört zur Region wie der Sechseläutenplatz zu Zürich. «Die Stadt Dietikon ehrt den Park. Sie haben ihm den Kulturpreis verliehen und ihn finanziell unterstützt», nickt Weber und fügt hinzu, es gebe gar einen Bruno-Weber-Weg, der vom Bahnhof zum Park führe.
Ein Leben für den Park
Als die Mädchen gross geworden und von zu Hause auszogen waren, machte sie, die seit jeher immer in Bewegung war, obendrein eine Ausbildung als Bewegungstherapeutin. «Das wäre nämlich mein Traumberuf gewesen», sagt sie. Es blieb allerdings bei der Ausbildung, danach habe sie die vielseitige Arbeit im Park wieder in den Bann gezogen.
Heute geht es vor allem darum, das Bestehende instand zu halten und zu restaurieren. «Nach dem Tod eines Künstlers ist sein Werk vollendet, da soll man nichts Neues hinzufügen», meint sie bestimmt. Trotzdem hätte sie noch einen Traum: «Wenn ich ein Haus bauen würde, so wäre es ein Rundhaus».
Gut wäre gewiss schon mal, wenn im Park alles rundginge. Mitunter nehme man sie als «störrisch» wahr, seufzt die Geschäftsfrau. Der Grund hierfür sei, dass sie nicht bereit sei, ihren Teil des Parks zu verkaufen. Sie begründe dies damit, dass nach dem Tode eines Künstlers oder einer Künstlerin die Integrität jedes Kunstwerks geschützt sei. Auf Nachfrage, wie genau sie das meine, fügt sie hinzu: „Man erbt das sogenannte Urheberpersönlichkeitsrecht – und dieses kann weder verkauft noch verschenkt werden.“ Der Park stehe nicht unter Denkmalschutz, aber auf optimalem Bauland mit Sicht über das ganze Limmattal – es sei nicht garantiert, dass er weiterexistieren werde, wenn man ihn aus der Hand gibt».
Auch wenn die Witwe vielmehr besonnen, ja sanft wirkt, könnte man das «Störrische» durchaus als Kompliment konnotieren. Schliesslich bedingt so ein Werk eine gewisse Beharrlichkeit und dies, zu wissen, was man will. Tatsächlich weiss Weber, was sie will: «Spanien hat Gaudì, Italien hat Niki de St. Phalle und die Schweiz hat Bruno Weber. Das sind drei Lebenswerke. Meine aktuelle Aufgabe ist es, für die Integrität dieses Lebenswerk einzustehen und einen guten Weg zu finden, wie es erhalten bleiben kann.»
Der Limmattaler ÖV ab 11. Dezember 2022
Am Fahrplanwechsel bricht eine neue Ära für das Limmattal an: die Einführung der Limmattalbahn. Auch auf dem Busnetz wird einiges umgekrempelt. Was genau, erfahren Sie unter vbz.ch/limmattal