Die VBZ-Linien sind Zürichs Lebensadern. Schnurgerade oder mit Ecken und Kurven verlaufen sie kreuz und quer durch die ganze Stadt. Dabei hat jede dieser Linien ihren Charakter, der geprägt ist von den Fahrgästen und der Strecke. In einer losen Serie gehen wir ihren Persönlichkeiten auf den Grund. Diesmal: Die Tramlinie 7.
Ein Blick in den Fahrplan verrät: Mit 31 Haltestellen liegt das 7er-Tram ziemlich vorn. Und auch sonst hat es viel zu bieten auf seiner Fahrt quer durch die Stadt. Es zeigt sich auf unbekannten und berühmten Strassen, streift grüne Parkanlagen, wirft sehnsüchtige Blicke in Richtung See und überwindet einiges an Höhe, bevor es sich nach einem kurzen Stopp in Wollishofen wieder zurück in die City macht.
Doch erst einmal: Willkommen an einem Sommermorgen um 7.00 Uhr am Bahnhof Stettbach. Der Verkehrsknotenpunkt an der Grenze von Zürich zu Dübendorf bietet Stadtmenschen, Pendlerinnen, Liebhabern einer intakten Natur und Ferienreisenden ein perfektes Sprungbrett für alle Aktivitäten. Hier werden jährlich rund neun Millionen Menschen Richtung S-Bahn-Gleis im Tunnel verschluckt oder strömen von unten nach oben zu Bus und Tram. Auch die Linie 12 der Glatttalbahn dreht ihre Schlaufe. Am Städtischen besteht trotz ländlicher Nachbarschaft kein Zweifel mehr, wie neue Häuser, Lasten hebende Kräne oder die Samsung Hall mit 5‘000 Plätzen beweisen.
Aber noch sind wir quasi vor den Toren der Stadt: Der Blick von der Endhaltestelle Richtung Hügel zeigt sattes Grün. Im nahen Natur-Nutzgebiet Allmend wachsen rund 160 Pflanzenarten – rekordverdächtig für den Beginn einer grossstädtischen Tramlinie. Noch nicht ganz wache Passagiere erahnen gemächliches Vorortfeeling: Kleine Häuser säumen die Strasse, schmucke Vorgärten und Spielplätze sind zu sehen, bunt gewürfelte Schülergruppen laufen fröhlich schwatzend auf dem Weg zur Schule. An der Haltestelle Roswiesen steht eine Frau mit Hund, der schwanzwedelnd auf einen Ausflug Richtung Stadt hofft. Hier lohnt sonntags auch ein kurzer Spaziergang zum Ortsmuseum Schwamendingen, das aus vergangenen Tagen berichtet und besichtigt werden kann. Der Schwamendinger Platz mit Bänken, Bäumen und dem prominentem «Schwamedingerhuus», lässt Grösseres erahnen. Erbaut von den Architekten Leuppi und Schaffroth bringt es mit seiner gläsernen Fassade und der Markthalle ein Gefühl von Stolz und Urbanität ins Quartier.
Erst obenauf, dann underground im Linksverkehr
Weiter geht es Richtung Milchbuck – unter der Erde, notabene. Schliesslich gab es in den 1970er Jahren auch in Zürich Pläne für den Bau einer U-Bahn, knapp 15 Kilometer sollten unterirdisch geführt werden. Daraus wurde jedoch nichts, denn das Projekt fand beim Zürcher Volk keine Gnade. Einzelne Teile, vorab für die U-Bahn geplant, nutzen nun seit 1986 die Tramlinien 7 und 9 auf ihrer Fahrt durch den Tramtunnel Schwamendingen – und zwar, das ist besonders, im Linksverkehr.
Futuristisch glänzend in blauem Licht präsentieren sich die drei Haltestellen Tierspital, Waldgarten und Schörlistrasse. Hausfrauen, Jogger oder Studierende mit Rucksack auf dem Weg zur Uni machen noch rasch einen Abstecher in den Irchelpark. Ferienfeeling verströmt diese grüne Oase mit Restaurant, wo auch das Staatsarchiv und das Museum für Anthropologie beherbergt sind.
Am Milchbuck, Treffpunkt mit den Linien 10 und 14, taucht das Tram mit der schwarzen Sieben aus der Tiefe wieder auf. Neue Fahrgäste aller Couleur und mit verschiedensten Berufen steigen ein in Richtung Schaffhauserplatz, oft mit sehnsüchtigem Blick ins Kafi Freud, wo sich der Tag so schön beginnen liesse. Wer länger Geduld oder noch keinen Hunger hat, wartet bis zur Traditions-Bäckerei Gnädiger am Schaffhauserplatz, den jeden Tag etwa 20’000 Menschen passieren.
Noch immer dauert es fünf Stationen bis zum Zentrum. Die Haltestelle Röslistrasse wird ihrem Namen mehr als gerecht. Und links und rechts in Fahrtrichtung, Nähe Haltestelle Ottikerstrasse, punktet der Siebner immer wieder mit grünen und blumigen Ein- und Ausblicken: Urban gardening auf den Dächern oder ein weiterer schöner Park. Zwischendurch erhaschen wir sogar einen Blick auf den Uetliberg.
Vorbei an Glanz und Gloria
Nachdem die Linie 7 zwar ländlich, aber nicht gerade mondän begann, sucht sie dann doch Glanz und Gloria in der grossen Limmatstadt. Und weil die quirlige Dame auch Hektik mag, kommt ihr das Central sehr gelegen. Nicht nur acht Tram- und Buslinien fahren hier, nein, auch am Wochenende bringen Nachtbusse Partygänger und Nacht-schwärmerinnen sicher heim. Und alle, die nicht weiter, sondern hoch hinaus wollen, nehmen an der Talstation das Polybähnli, das in einer Minute 41 Höhenmeter erklimmt.
Endlich biegt das Tram am Hauptbahnhof mit Tara in die Zürcher Bahnhofstrasse ein. Auf dem teuersten Pflaster der Stadt flanieren Hunderte Einheimische und Touristen, erwerben in Boutiquen luxuriöse Dinge (oder nur einen Badeanzug für das Ziel gegen Ende der 7er-Strecke) und kehren im legendären Sprüngli ein. Sehen und gesehen werden – das ist die Devise. Am Paradeplatz, dem Herzstück, residieren Schweizer Banken, und Menschen in Schale bestimmen das Bild. Ein Prunkstück für gut Betuchte: das legendäre Hotel Savoy Baur en Ville empfängt seit 1838 Gäste aus aller Welt. Dass hier – am früheren «Saumärt» – einst mit Schweinen statt Uhren gehandelt wurde, behält der Platz diskret geheim. Noch lange könnte man verweilen, wir aber biegen mit Kunstinteressierten und Sonnenhungrigen Richtung Bahnhof Enge in die nächste Kurve ein. Prominent zeigt sich das Bahnhofgebäude mit seinem halbkreisförmigen Haupteingang aus Tessiner Granit. Den Namen erhielt der dazugehörige «Tessinerplatz» aber wahrscheinlich aus einen anderen Grund: Von hier verkehrte im Sommer 1894 für einige Jahre ein Schnellzug der Südostbahn nach Goldau und öffnete so den Reisenden durch die Anschlüsse der Gotthardbahn das Tor ins Tessin.
Viel Grün, viel Wasser, viel Kultur – von Enge nach Wollishofen
Den Blick auf den Bahnhof Enge werfen wir sitzend aus dem Tram, hingegen sei an der Haltestelle Museum Rietberg unbedingt ein Zwischenstopp empfohlen. Mehr als 100‘000 Personen im Jahr besuchen das einzige Kunstmuseum für aussereuropäische Kulturen in der Schweiz, das in einem Landschaftspark des 19. Jahrhunderts in Zürich, dem Rieterpark, gelegen ist. In den knapp 70‘000 Quadratmetern finden garantiert alle ihr Plätzchen: ältere Herren lesen, Familien breiten ihr Picknick aus, und verliebte Paare träumen.
Keine Haltestelle weiter befindet sich, an der Seestrasse, die Belvoirpark Hotelfachschule Zürich, gegründet 1925 vom damaligen Schweizerischen Wirteverband. Den in voller Blüte stehenden Park nutzen nicht nur die vielen eifrigen Hotelfachstudierenden im obligaten Schwarz-weiss für ihre Pause, sondern auch Blumenliebhaberinnen und Erholungssuchende.
Perfektes Sommerfeeling
Wir steigen erst an der Haltestelle Brunaustrasse aus und gelangen – vorbei am Generalkonsulat der Volksrepublik China – Richtung See: Am Mythenquai warten in einer der bedeutendsten Sukkulenten-Sammlungen der Welt über 4’500 Arten auf bewundernde Blicke. Uns und einige Mitreisende aber lockt das Strandbad Mythenquai. Der 250 Meter lange Sandstrand bietet perfektes Ferienfeeling für alle, die es nicht in die weite Ferne zieht. Ein paar Schritte weiter lockt die Landiwiese. Nach der Schweizer Landesausstellung im Jahr 1939 benannt, ist sie ist nicht nur Park mit Seeanstoss, sondern begeistert als Kulturinsel auch am Zürcher Theaterspektakel Jung und Alt. Gleich davor lädt auch die kleine Insel Saffa zum Verweilen ein. Am See wartet ein weiteres Highlight, eine Institution gar – die Rote Fabrik. Und wenn wir es am Abend nicht mehr heim schaffen, bleiben wir zu Gast auf dem Campingplatz Fischers Fritz.
Doch die Sieben muss weiter nach Wollishofen, lässt die Räder über die Schienen gleiten, biegt ab und holt Schwung. Kurz vor dem Ziel wird wieder Ländliches sichtbar, bis unser Tram an der Endhaltestelle unter Bäumen kurz verschnauft und bald darauf den Rückweg antritt.