Die Energie liegt am Boden

Autonomes Fahren, Flugtaxis, Hyperloopes oder noch verrücktere «Düsentriebereien» – wie die künftige Mobilität tatsächlich aussehen wird, kann man nur erahnen. Doch einige der Innovationen und Technologien, die bereits im Testeinsatz sind, wollen wir der Leserschaft anhand einer mehrteiligen Serie präsentieren. Heute im Fokus: Fahrbahnen, die mit Solarpanels ausgestattet sind.

Um die Macht der Sonne wusste man schon im Altertum. Diente den alten Ägyptern einst die Gottheit Ra mit einem scheibenförmigen Gestirn auf dem Kopf als Symbol für die Sonne, huldigt man Letzterer heute (wenn auch nicht religiös motiviert) erneut mit Platten auf dem Dach: Solarzellen auf Gebäuden sind längst Alltag.

Was aber, wenn die Sonnenenergie ihr Himmelspodest verliesse, wenn sie quasi auf der Strasse läge? Derzeit tüfteln findige Köpfe an einer Innovation, an der auch der griechische Gott Helios (dessen Aufgabe es war, einen von Hengsten gezogenen Sonnenwagen zu lenken) seine helle Freude gehabt hätte. Es geht um den Bau von Solarstrassen – mit dem fernen Ziel, den so gewonnenen Strom zum Antrieb von Elektroautos zu nutzen.

Hart, aber nicht hart genug

Damit solche mit Solarpanels «gepflasterten» Fahrbahnen zielführend werden können, müsste freilich erstmal induktives Laden (also vereinfacht gesagt eine kontaktlose Energieübertragung) bei den Fahrzeugen serienmässig gesichert sein, was heutzutage noch nicht der Fall ist. Trotzdem pröbeln etliche Anbieter schon mal an der passenden Strasse und stellen sich mit unterschiedlichen Ansätzen der Herausforderung «Solarzellen auf der Strasse»: Es sind dies etwa SolaRoad aus Holland, Wattway aus Frankreich, Solar Roadways aus den USA, Solmove aus Deutschland und allen voran die Chinesen, vertreten durch die Unternehmen Pavenergy und Quilu Transportation Development Group.

Der Enthusiasmus war schwer zu bremsen. Seit der Entstehung der ersten Solarwege malten sich die Pionier-Firmen etlichen Medienberichten zufolge mit grosser Euphorie das Potenzial flächendeckender Solarstrassen aus. Nach ersten Testphasen ist diese grelle Vorfreude nun ein bisschen wolkenverhangen. Einerseits, weil sich die Installationen aus gehärtetem Glas oder transparentem Beton im Verhältnis zum so generierten Strom als überteuert erweisen. Andererseits, weil die Erbauer dieser Systeme mit unvorhergesehenen Schäden an den Panels zu kämpfen haben. Pointiert formuliert: Allen Ambitionen zum Trotz sind die Projekte kaum über das Experimentierstadium hinaus gelangt. Ohnehin ist die liegende Position für Solarzellen – anders als für Badegäste auf Mallorca – nicht optimal geeignet, um Sonne zu tanken. Staub, Schmutz und Schatten tragen das ihrige zur düsteren Lage bei.

Die Welt geht für die Sonne auf die Strasse

Die Ersten, die sich ans Solastrassen-Experiment wagten, waren die Niederländer, welche 2014 gleich einen fulminanten Start hinlegten: Der von SolaRoad im nordholländischen Dorf Krommenie fest verbaute, 90 Meter lange und 3,5 Meter breite Radweg aus robusten Betonelementen mit gehärtetem Glas lieferte nämlich gar mehr Energie als erwartet. Gerechnet haben die Ingenieure mit maximal 70 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr, erzielt wurden bis zu 93 Kilowattstunden, also insgesamt 30‘000 Kilowattstunden jährlich. Zum Vergleich: Mit einer Kilowattstunde lässt sich etwa eine Maschine Wäsche waschen. Beflügelt vom Erfolg, versuchte man sich im März 2019 an einer 150 Meter langen Busspur in der Stadt Spijkenisse, welche jedoch dem schweren Verkehr unterlag, will heissen, die Solarmodule lösten sich von der Betonschicht. Das Konstrukt wurde in der Folge abgeschaltet. Auf Anfrage erklärt die Firma SolaRoad, man untersuche derzeit, was zu dieser Panne geführt habe, damit solche Misserfolge künftig verhindert werden können.

In Tourouvre-au-Perche in der Normandie, wurde die erste Solarstrasse aus polykristallinem Silizium im Jahr 2016 durch die Firma «Wattway by Colas» eingeführt, und zwar auf einer 2800 Quadratmetern umfassenden, ein Kilometer langen Strecke. Kostenpunkt: 5 Millionen Euro. Die Installation klingt simpel: die Solarpanels werden quasi auf die bestehende Fahrbahn geklebt und sollten jeglichem Verkehr standhalten. Was sie allerdings nicht taten. Stattdessen entstanden wiederkehrende Schäden, oder die Panels wurden von Laub bedeckt.

Im Resultat erzeugte der Sonnenteppich anstelle der erwarteten 280‘000 Kilowattstunden jährlich lediglich 149‘549 Kilowattstunden im 2017 und im Folgejahr 78‘397 Kilowattstunden Strom. Die Herstellerfirma musste schliesslich einräumen, dass das Produkt für den interurbanen Einsatz noch nicht ausgereift sei. Dennoch wird weitergetüftelt: Die Strasse wurde unterdessen zwar auf 400 Meter verkürzt, jedoch mit Modulen einer neuen Generation ausgebessert. Diese, so Wattway, bringe 21 Prozent mehr Leistung als die Vorgängerversion. Als Standorte stehen neu aber nicht mehr prioritär Strassen im Fokus, sondern Örtlichkeiten in der Nähe von Lampen, Kameras oder Ladestationen für E-Bikes.  Stellen also, an denen der Strom direkt verwendet werden kann.

Solmove aus Potsdam in Deutschland hat sich technologisch an den Franzosen und punkto Teststrecke an den Niederländern orientiert. Sie operiert mit Solarzellen, die sich wie eine Matte auf der Fahrbahn ausbreiten lassen. Die Neuigkeit wurde erst mal auf einem Radweg getestet, und zwar Mitte November 2018 in Erftstadt, Nähe Köln, entlang einer Strecke von 90 Metern und 200 Quadratmetern. 16‘000 Kilowattstunden Strom sollten jährlich erzeugt werden. Nach einigen Wochen kam es zu einem Schwelbrand, vermutlich ausgelöst durch Feuchtigkeit, die in die Verbindungsstellen zwischen den einzelnen Modulen gelangen konnte. Noch wurde das Problem nicht gelöst, der Radweg muss umfahren werden – weshalb nun obendrein auch ein Rechtsstreit zwischen dem Unternehmen und der Stadt Erftstadt entbrannt ist.

Discofeeling und Schneeschmelze

Zumindest ein valables Discofeeling – weil heftig blinkend – lieferte ein Projekt in den USA, initiiert von Solar Roadways. Die Firma arbeitet mit hexagonalen Platten aus gehärtetem Sicherheitsglas, die Mikroprozessoren enthalten. Bis zu 125 Tonnen soll das Produkt aushalten, ausserdem trägt eine heizbare Oberfläche sowie blinkende LED zur Erhöhung der Verkehrssicherheit bei. Eine erste, 14 Quadratmeter umfassende und rund 60‘000 Dollar teure Installation auf einem Gehweg in Sandpoint Idaho erntete zunächst statt Strom vielmehr Spott und Hohn: Die Panels waren nicht sauber montiert, die LED bei Tageslicht schlecht sichtbar, und das bisschen Energie ging vor allem für das Lichterspiel und die Heizelemente, die dem Schnee Herr werden sollten, drauf. Zwar wurden etliche Probleme zwischenzeitlich behoben, der Output ist aber immer noch sehr mager, wie man diesem zum System führenden Link entnehmen kann.

Das weitaus grösste Solarstrassen-Projekt findet sich aber in Jinan, in der Provinz Shandong in China. Die Stadt liess im Jahr 2017 durch die Unternehmen Pavenergy und Quilu Transportation Development Group auf einer Autobahn eine Fläche von angeblich 5875 Quadratmetern mit einem Solarteppich aus transparentem Beton ausrüsten. Nach Angaben verschiedener Medien soll der jährliche Output an Strom bei einer Million Kilowattstunden liegen. Auch diese Strasse kann Schnee schmelzen und mit LED Zeichen setzen. Vor allem aber möchten die Chinesen nicht nur Strassenlampen erleuchten, das Ziel liegt klar bei intelligenten Strassen, die inskünftig Elektroautos induktiv laden sollen – auch Big Data und Autonomes Fahren sind Thema. Ob die gesetzten Ziele seit der offiziellen Freigabe für den Verkehr Ende 2018 tatsächlich erreicht wurden, ist unklar – auch Pavenergy bleibt auf Anfrage die Antwort schuldig. Auf jeden Fall aber scheinen die Chinesen bereit, viel Energie und Geld in die Erforschung neuer Technologien zu stecken.

Solarstrassen, ein Erfolgsrezept? Derzeit wohl noch nicht. Aber den Science-Fiction-Status hat der Begriff definitiv hinter sich gelassen. Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.

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