Die Berge als Lebensschule

Als «friendly work space» ist den VBZ eine ausgewogene Work-Life-Balance wichtig. Mit welchen spannenden Interessen unsere Mitarbeitenden einen Ausgleich zu ihrem Arbeitsleben schaffen, verraten sie uns in dieser Serie. Heute: Peter Alig, Zuständiger für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz bei den VBZ und professioneller Bergführer.

Die Bergwelt und Weitblick gehören zusammen wie das Wandern und stabiles Schuhwerk. Beim Bergsteigen ist ein gewisser Weitblick vor allem punkto Sicherheitsmassnahmen gefragt. Peter Alig kennt sich damit bestens aus. Nicht nur in seinem Job bei den VBZ, wo er die Rahmenbedingungen rund um Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz für seine Kolleginnen und Kollegen schafft – sondern auch als ausgebildeter Bergführer.

Der Ruf des Berges erreichte ihn schon früh. Obschon in Richterswil aufgewachsen, säten die Eltern des Bündners während den Ferien in Vals den Samen der Naturverbundenheit in ihm. Als Inspiration diente Alig auch ein Grossonkel, Toni Spinas, seines Zeichens Bergführer im Engadin. «Bald fand ich Bergsteigen interessanter als Wandern und habe mich mit «Jugend+Sport»-Kursen weitergebildet.» Mit 19 Lenzen, nach Abschluss seiner Lehre als Maschinenzeichner, nahm er die Bergführer-Ausbildung in Angriff. Es handelt sich dabei um eine dreijährige, berufsbegleitende Ausbildung mit eidgenössischem Fachausweis.

Nomadenleben auf 8000 Metern Höhe

Seither hat Alig viel erlebt: «In den ersten fünf Jahren führte ich ein Nomadendasein: Im Sommer verdiente ich als Führer in der Bergsteigerschule in Pontresina meine Sporen ab, im Winter ging ich schweizweit auf Skitouren». Anno 1986 habe er die Skilehrerausbildung begonnen. «Fürs Freeriden braucht man eine Spezialausbildung, da war mir die Bergführer-Ausbildung nützlich – so konnte ich mit Privatgästen neben der Piste fahren, anstatt Grundschülern ‹Stemmbögli› beizubringen», erklärt der 63-jährige spitzbübisch. 

Und in der Nebensaison? «Da ging ich auf Expedition in die Gebirge anderer Kontinente, zum Beispiel auf einen 8000er in Nepal», so Alig. Eine Zeit voll magischer Naturerlebnisse: Das Biwakieren auf 7’500 Höhenmetern, ehe man die letzten 700 Höhenmeter in Angriff nimmt: «Dem Himmel so nah zu sein, diese Ruhe, ist einmalig», meint Alig versonnen. Oder die fünftägige Tour an der Bigwall El Capitan im Yosemite Nationalpark, in der Alig Nacht für Nacht die absolute Stille erlebt. Die Erfahrungen, die er mit uns teilt, sind – der Zeit geschuldet – ganz klar nur die Spitze des Bergs. Eine tiefe Dankbarkeit sei entstanden: «Ich durfte exklusive Erfahrungen machen – und erfreue mich doch immer noch bester Gesundheit.»

Peter Alig, bei den VBZ zuständig für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz und seit über 40 Jahren professioneller Bergführer.

Demut vor dem Leben

Alig machte auch Grenzerfahrungen. Beim Bergsteigen ist stets das Risiko mit dabei. «Die Totenbergung war Teil meines Berufs. Das sind schmerzhafte Erlebnisse», sagt er nachdenklich: «Das Leid der Angehörigen geht einem nahe.» Auch selber sei er in eine Lawine geraten: «Wir waren zu fünft. In der Regel ist danach einer tot. Zum Glück war das bei uns nicht der Fall, aber es war sehr einschneidend. Man braucht Schutzengel im Gepäck.» Alig erzählt das in besonnenem Ton. Man spürt, dass diese Erlebnisse für ihn sehr prägend waren und seine überlegte Wesensart mitgestaltet haben dürften.

Im Jahr 1986 sei das Bergsteigen noch nicht so stark entwickelt gewesen, sie hätten die eine oder andere Pionierarbeit geleistet. Ein eher missglückter Versuch sah so aus: «Wir hatten in Nepal Gleitschirme dabei und wollten damit ab einem 8000er fliegen – ‹keine Sache›, dachten wir.» Die Probeflüge auf 6000 Meter hätten jedoch deutlich aufgezeigt, dass die physikalischen Grundbedingungen anspruchsvoller als gedacht waren. Die starken Winde wie auch die dünne Luft hätten negativen Einfluss auf die damals eher primitiven Gleitschirme gehabt. «Ehrlicherweise muss man zugeben: Das war ziemlich naiv», gesteht Alig mit einem Lächeln.

Interkulturelle Begegnungen, Geduld und der beliebte Zürcher Dialekt

Bei alledem sei die Möglichkeit, anderen Menschen ein unvergessliches Erlebnis zu ermöglichen, für ihn eine der Hauptmotivationen gewesen. Besonders in Erinnerung blieb ihm eine Bergsteigerin aus Tasmanien, die er während 3.5 Stunden vom Hörnli auf den Gipfel des Matterhorns begleiten durfte. «Die 60-jährige marschierte sehr geschmeidig und ausdauernd den Berg hinauf, das war toll», schwärmt er. Solche Begegnungen, der interkulturelle Austausch, hätten ihm besonders gut gefallen.

Die Gästebetreuung bringe nicht nur Vernügen, sagt Alig: «Wenn man in einer Hütte wie der Diavoletza oder in der Hörnlihütte mit 100 anderen Gästen morgens im Dunklen losläuft, gibt das schon mal einen Dichtestress.» Das Allerwichtigste sei aber: «Nein» sagen, umkehren zu können, wenn es nicht geht – sei’s aufgrund der Wetterbedingungen oder weil die Leistung nicht genügt. «Sonst bringt man andere und sich selbst in Gefahr.» Man könnte das glatt als Metapher für das Leben nehmen.

Die Art, wie man dieses «Nein» ausspricht, hat offenbar Relevanz. Die Hürden beim Bergsteigen, lässt Alig durchblicken, bestünden nicht immer nur aus Fels: «Mit einer ‹Zürischnurre› hat man bei Bergführern in gewissen Kantonen einen schweren Stand», so der Bündner (zum Glück gibt es in Basel keine Berge, Anmerkung der Redaktion). Natürlich, relativiert er, hätte er dennoch individuelle, schöne Erlebnisse mit Berner oder Walliser Bergführern gehabt. Auch die Bergführerinnen hatten es wohl nicht einfach: «Als die ersten Bergsteigerinnen kamen, schien mir, dass diese Frauen mehr zu leisten hätten, im Vergleich zu mir als jungem Mann damals in der Ausbildung», merkt er an.

Die Familie wird zur Hauptsache

Nach fünf Jahren schlug Alig eine neue Richtung ein. Der Grund dafür: die pure Vernunft. «Ich hielt meine Maschinenzeichner-Lehre als Berufsbasis nicht für solide genug. Man muss damit rechnen, dass man wegen eines Unfalls oder Problemen mit den Gelenken plötzlich mit dem Bergsteigen aufhören muss.» Also kümmerte sich der heutige Maschineningenieur um seine zweite Berufskarriere und machte das Technikum in Zürich. Dazu kam die Liebe:  «Irgendwann lernte ich meine Frau kennen, da haben wir uns auf die Familie fokussiert.»

Seither übt er das Bergsteigen nebenbei aus, privat mit Kollegen oder auf Anfrage. Ein grosses Anliegen ist ihm, sein jahrzehntelang gesammeltes Wissen weitergeben zu können: Als Leiter in Ausbildungslagern von «Jugend + Sport». Auch kümmert er sich, wie bei den VBZ, um die Sicherheit: Aktuell gibt er Lawinenkurse. Der zweifache Vater hat – wie einst seine Eltern – seine beiden Söhne mit der Liebe zum Bergsport angesteckt. Die beiden Männer im Alter von 25 und 23 Jahren engagieren sich besonders im Sportklettern. «Die Jungen drücken heute ganz andere Leistungen ab, das ist sehr eindrücklich. Im Vergleich waren wir damals ‹Waisenknaben›. Aber jede Zeit hat ihre eigenen Möglichkeiten», erzählt er stolz.

Den Beruf des Bergführers zu ergreifen, ist natürlich nichts, was man aus einer Laune heraus beschliesst. Der dreijährige Einstieg in den Beruf sei anspruchsvoll, aber auch schön: «Ich kenne die Ausbildner persönlich, sie machen einen tollen Job», sagt Alig. Grundvoraussetzung sei die Leidenschaft, meint er: «Zum Beruf macht man das Bergsteigen, wenn man dafür brennt. Man muss dafür geboren sein.»

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