Die «Smarte Haltestelle» ist das Ziel, die Digitalisierung ihrer Werbeflächen und deren Vermarktung ein nächster Meilenstein dorthin. Bis zum erfolgreichen Abschluss waren die Nerven von Martin Suter, Leiter Haltestellen und Kommerzialisierung, gefordert.
Herr Suter, an den Haltestellen beschäftigen sich die meisten Passagiere mit ihrem Smartphone, andere lesen Zeitung oder hängen ihren Gedanken nach. Und Sie?
Vor ein paar Jahren ging mir das gleich. Inzwischen nutze ich diese Zeit, um die Leute zu beobachten und mir Gedanken zu machen, was wir noch verbessern können.
Sie vergleichen die Haltestelle mit der Rezeption eines Hotels. Warum?
Ohne Haltestelle hat man grundsätzlich keine Möglichkeit, in ein Tram oder einen Bus einzusteigen. Damit ist die Haltestelle der erste «Empfangspunkt» unserer Kunden und entsprechend relevant. Ausserdem prägt sie als Visitenkarte der VBZ auch das Erscheinungsbild der Stadt Zürich mit.
Eines Ihrer Kernprojekte ist die «Smarte Haltestelle». Die Digitalisierung der Plakatstellen ist ein Schritt dahin. Wo stehen wir?
Mit mehreren Teilprojekten stehen wir in unterschiedlichen Phasen. Konkret zum Beispiel beim Thema LED: Die Umrüstung ist in vollem Gang, einzelne Haltestellen sind bereits umgerüstet. Zweites Beispiel ist das e-Paper. In diesem Pilotprojekt wird demnächst der Entscheid über das weitere Vorgehen gefällt. Am Anfang sind wir noch bei Themen wie der begrünten Haltestelle oder der allfälligen Ausstattung mit Solarzellen.
Um was geht es an der «Smarten Haltestelle» konkret?
Primär geht es darum, unseren Kundinnen und Kunden einen Mehrwert zu bieten. Unter dem Dach der «Smarten Haltestelle» testen wir Pilotprojekte zur «Haltestelle der Zukunft». Die Haltestellen werden durch technologische sowie digitale Möglichkeiten erweitert, um das Kundenerlebnis zu verbessern.
Abgeschlossen ist jetzt ein Projekt, das Sie seit über einem Jahr intensiv beschäftigt: die Digitalisierung der Werbeflächen an den Haltestellen und deren Vermarktung. Wie gross ist die Erleichterung darüber, dass alles geklappt hat?
Wir haben uns mit einer sehr anspruchsvollen Ausschreibung gegenüber der Werbewirtschaft stark exponiert und standen entsprechend unter hohem Druck sowohl von der Stadt als auch von der Werbewirtschaft. Der Stein, der jetzt nach erfolgreichem Abschluss von unseren Herzen fällt, ist ziemlich gross.
Was machte diesen Druck aus?
Ein Projekt in diesem Umfang parallel zum Tagesgeschäft umzusetzen. Die Komplexität war gross, auch, weil unterschiedliche Disziplinen zusammenkamen – vom Bewilligungsverfahren über die Konzeption der Lose bis hin zu ausschreibungstechnischen und rechtlichen Fragen. Kommt dazu: Die Vermarktung gehört nicht zu unserem Kerngeschäft, ist also keine tägliche Routine und war damit für alle Beteiligten ein grosses Stück Herausforderung, bei der wir aber auch sehr viel gelernt haben. Unnötig zu sagen, dass wir uns selbst mit unseren Ansprüchen zusätzlich unter Druck gesetzt haben, zum Beispiel, indem wir den Mehrverbrauch an Strom durch clevere Sparmassnahmen überkompensieren.
Was war Ihnen persönlich wichtig?
Die Ausschreibung so aufzustellen, dass sie für möglichst viele Vermarkter attraktiv ist, war anspruchsvoll. Gleichzeitig mussten wir dafür sorgen, dass alle Bieter eine faire Chance haben, sich ein Stück zu sichern. Und last but not least mussten wir auch gewährleisten, dass der Ertrag, den wir bzw. die Stadt und der ZVV aus der Ausschreibung generieren, so gross wie möglich ausfällt. Dazu kamen die Auflagen für die insgesamt 76 eingereichten Bewilligungen und der damit verbundene Zeitdruck. Wir mussten diesen Januar ausschreiben können, damit die Verträge ab Anfang 2022 laufen. Einen Umsatzausfall aus diesem Geschäft können wir uns nicht leisten.
Kritiker fragen sich, ob es tatsächlich Aufgabe von öffentlichen Unternehmungen ist, sich so intensiv mit der Privatwirtschaft auseinanderzusetzen.
Unbedingt! Ich bin der Ansicht, dass die Aufgabe einer Unternehmung der öffentlichen Hand zunehmend nicht nur darin besteht, zu sparen, sondern auch dafür zu sorgen, dass Mehrerträge generiert werden können. Zumindest dort, wo sie marktorientiert möglich und sinnvoll sind. Faktisch machen wir mit dem Projekt genau das: Wir setzen uns mit dem Markt auseinander, kennen unser Potenzial, schaffen eine belebende Konkurrenzsituation, gehen auch mal etwas ins Risiko und suchen neue Wege. Dabei weichen wir, wenn nötig, auch einmal vom Standard ab.
Wer profitiert wie vom Projekt?
Die Neuausschreibung führt zu Einnahmen von mindestens 14,9 Millionen Franken pro Jahr, verteilt über die Vertragsdauer von sieben Jahren und zugunsten der Stadt Zürich und des Zürcher Verkehrsverbundes (ZVV). Profitieren werden wir als VBZ, weil wir einmal mehr bewiesen haben, dass wir ein solches Projekt stemmen können und eine attraktive Partnerin für die Werbewirtschaft sind, die von der Digitalisierung profitiert. Und last but not least wird auch Neo Advertising, unser neuer Vermarktungspartner, profitieren.
Wie geht es jetzt weiter?
Der nächste und auch für mich persönlich wichtige Schritt wird das Debriefing mit allen sein, die ein Angebot eingereicht haben. Qualitativ haben wir herausragende Konzepte erhalten. Und dennoch gab es am Schluss einen klaren Sieger. Jetzt wird es darum gehen, den Unterlegenen nachvollziehbar aufzuzeigen, warum es nicht gereicht hat. Dann folgt die Unterzeichnung der Verträge und ab Anfang 2022 geht es bereits los mit der Umrüstung auf die digitalen Werbeflächen durch den neuen Vermarkter. Doch damit nicht genug: Zusammen mit unserem neuen Partner werden wir das Portfolio laufend weiterentwickeln.
Und, denken Sie schon an nächste Projekte?
Im Bereich Haltestellen bestehen nach wie vor Potenziale und wir erachten es als unsere Aufgabe, diese auszuschöpfen. Unser Gestaltungsdrang, mit unseren Haltestellen Zürich zu prägen, ist nach wie vor sehr hoch. Denn wo wir fahren (und halten), lebt Zürich.