«Wo wir fahren, lebt Zürich»: Unser Versprechen gilt in guten Zeiten und auch in diesen. Zürich lebt, auch wenn es gerade etwas aus dem Takt gekommen ist. Darüber, wie es unserer Stadt und ihnen so geht, erzählen Zürcherinnen und Zürcher gemeinsam mit uns in der Serie #sogahtsZüri. Heute erklärt uns Jürg Widmer, Leiter VBZ-Einsatzstab Coronavirus bei den VBZ, warum auch in Zeiten der Corona-Pandemie die fast leeren Plätze von Zürich alle zehn Minuten mit einem Bus oder einem Tram befahren werden, und was bei einem öV-Angebot in einer Stadt alles berücksichtigt werden muss.
Die Vorgaben von Bundesbern können klarer nicht sein. Händewaschen, Distanzhalten und zu Hause bleiben ist im Moment die Devise. Letzteres nehmen sich viele Arbeitstätige zu Herzen und arbeiten, falls ihnen das möglich ist, im Homeoffice. Und falls die Lust nach einer Shopping-Tour aufkommt, kann diesem Bedürfnis in Zeiten des Coronavirus nur online nachgegangen werden. Diese Verhaltensänderungen sind auf dem Zürcher öV-Netz deutlich zu spüren, der Rückgang der Fahrgäste liegt aktuell bei über sechzig Prozent. Auch für die Verkehrsbetriebe Zürich ist dies eine noch nie dagewesene Dimension. Jürg Widmer, Leiter Einsatzstab Coronavirus bei den VBZ, gibt uns einen Einblick, wie die VBZ mit dieser Situation umgehen.
Jürg Widmer, Sie sind nun bereits seit vier Wochen im Dauereinsatz. Wie geht es Ihnen persönlich?
Danke der Nachfrage. Ich bin gesund und meine Familie ist es zum Glück auch. Wie für viele, ist es auch für mich eine anstrengende Zeit. Doch ich bin zuversichtlich, dass wir mit vereinten Kräften diese Coronakrise meistern werden. Zudem gibt es auch schöne Momente: All die Geschichten, die von gemeinsamer Solidarität erzählen oder dass wir uns auch wieder einmal bewusst werden, wie komfortabel unser Leben doch bis vor kurzem war. Es ist alles keine Selbstverständlichkeit.
Der Bundesrat empfiehlt auf den öffentlichen Verkehr zu verzichten. Weshalb halten die VBZ trotzdem an einem regelmässigen Fahrplan fest?
Man muss sich vor Augen halten, dass über fünfzig Prozent der Stadtzürcher Bevölkerung kein Auto besitzt. Die Leute sind deshalb auf den öffentlichen Verkehr angewiesen und nutzen ihn, um Einkäufe zu tätigen, den Arzt aufzusuchen oder der Arbeit nachzugehen. Zudem pendeln täglich zigtausende Menschen nach Zürich zu ihren Arbeitsplätzen. Besonders systemrelevante Bereiche müssen weiter funktionieren. Es ist zentral, dass sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Spitaleinrichtungen, Lebensmittelläden, Rettungsdiensten oder der Strom- und Wasserversorgung auf unser Angebot verlassen können. Nur so kann die Stadt die notwendigen Dienstleistungen aufrechterhalten.
Seit dem 30. März 2020 gilt in Zürich ein spezieller, reduzierter Fahrplan. Wo liegt das Hauptaugenmerk bei einer solchen Umsetzung?
Von Anfang an standen bei uns drei Aspekte im Zentrum: Auch mit einem reduzierten Fahrplan wollen wir alle Regionen bedienen, die Betriebszeiten beibehalten und gleichzeitig ein Angebot schaffen, das den Fahrgästen genügend Platz bietet. Nur so können wir gewährleisten, dass die arbeitnehmende Bevölkerung von morgen früh bis abends spät zur Arbeit und wieder zurück nach Hause gelangt und dabei die Abstandsregeln möglichst eingehalten werden. Dieses Konzept hat dazu geführt, dass wir unsere Fahrleistungen mengenmässig weniger reduziert haben als andere Branchenkollegen.
Sie sprechen das «Social Distancing» an. Können die VBZ sicherstellen, dass Abstand halten für die Fahrgäste möglich ist?
Die Einhaltung von Abstandsregeln können wir nur indirekt sicherstellen, indem wir das Fahrplanangebot nicht zu sehr ausdünnen. Zudem beobachten wir, wie und zu welchen Zeiten unsere Fahrzeuge ausgelastet sind. Hier liegt unser Augenmerk insbesondere auf den Linien, die Spitaleinrichtungen anbinden. Zu Beginn hat es dort in den Stosszeiten am Morgen und am Abend zu vollen Bussen und Trams geführt. Im Austausch mit den Spitalverantwortlichen konnten wir unsere Kurse in der Zwischenzeit noch besser auf die Schichtpläne anpassen und haben mit zusätzlichen Kursen zum Waid- und Unispital, zu den Spitälern um die Haltestelle Balgrist sowie zur EPI-Klinik, das Angebot weiter verstärkt.
Wie muss man sich den Austausch zwischen Spitaleinrichtungen und den Verkehrsbetrieben konkret vorstellen?
Einige Spitäler haben mit uns per E-Mail oder telefonisch Kontakt aufgenommen. Es ging einerseits darum, die Arbeitszeiten der Pflegefachleute und unser Fahrangebot aufeinander abzustimmen. Andererseits galt es, verschiedene Zeiten für den Schichtwechsel zu schaffen, um das Gesamtsystem des öffentlichen Verkehrs in der Hauptverkehrszeit zu entlasten. Diesen Austausch habe ich als sehr offen und konstruktiv erlebt.
Wäre es nicht besser, den normalen Fahrplan zu fahren, damit Abstandhalten immer möglich wäre? Oder anders gefragt: Weshalb dünnen die VBZ den Fahrplan überhaupt aus?
Der Bundesrat hat Verhaltensregeln erlassen und zum Daheimbleiben aufgerufen. Einerseits haben wir dadurch automatisch weniger Fahrgäste und andererseits müssen wir damit rechnen, dass wir unsere Fahrdienste aufgrund von krankheitsbedingten Ausfällen nicht mehr durchführen können. Wir sind Teil eines Gesamtsystems im öffentlichen Verkehr. Deshalb macht es Sinn, die Massnahmen als ganze Branche anzupassen. Es ist die Strategie des Bundes, die Mobilität zu reduzieren. Um ein Grundangebot aufrechtzuerhalten braucht es deshalb auch nicht mehr das volle Angebot.
Der reduzierte Fahrplan führt zu weniger Fahrten, was weniger Busfahrerinnen und Trampiloten benötigt. Welche Auswirkungen hat dies auf Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?
Ja, es ist korrekt – unser Fahrdienstpersonal hat insgesamt weniger zu tun. Es ist aber auch so, dass gesunde Personen, die Fahrdienste derjenigen Kolleginnen und Kollegen übernehmen, welche zu den Risikogruppen gehören und deshalb nicht zur Arbeit dürfen. Das führt zu einem gewissen Ausgleich. Ausgefallene Arbeitszeiten handhaben wir im Moment so, dass diese auf ein separates Konto verbucht werden. Dies belassen wir so, bis Klarheit besteht, wie die Zeitabrechnung für diese Coronazeit erfolgen soll.
Sind bei den VBZ auch Mitarbeitende am Coronavirus erkrankt?
Aktuell sind uns sechs bestätigte Falle bekannt. Alle Personen sind zu Hause. Glücklicherweise geht es ihnen den Umständen entsprechend gut. Wir wünschen auf diesem Weg allen gute Besserung.
Als Leiter Einsatzstab Coronavirus bei den VBZ drehen sich die Themen seit Wochen rund um diese Krankheit. Gibt es auch Highlights für Sie?
Tatsächlich hat alles auch eine Kehrseite. Vor ein paar Wochen hätte ich mir nicht vorstellen können, dass wir innert knapp zwei Wochen den grössten und kurzfristigsten Fahrplanwechsel in unserer 138-jährigen Geschichte umsetzen werden. Ich bin sehr beeindruckt, wie professionell und umsichtig hier gearbeitet wurde. In Rekordzeit eine solche Leistung zu vollbringen, ist nur dank Teamarbeit und grossem Engagement möglich. Das ist mein aktuelles Highlight und dafür danke ich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor und hinter der Kulisse.
Vielen Dank für das Gespräch und bleiben Sie gesund.
Noch mehr Geschichten darüber, wie es den Zürcherinnen und Zürchern in diesen Zeiten geht, gibt’s unter #sogahtsZüri. Wer selber Teil von #sogahtsZüri sein möchte, kann unter vbz.ch/sogahtszueri mitmachen.
Schutzmassnahmen der VBZ und angepasster Fahrplan
Die VBZ beobachten die Entwicklung des Coronavirus mit Fokus auf den ÖV äusserst aufmerksam, treffen verschiedene Schutzmassnahmen und fahren seit dem 30. März 2020 mit einem angepassten Fahrplan. Oberste Priorität hat die Gesundheit der Fahrgäste und unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Als Dienstabteilung der Stadt Zürich stehen die VBZ in engem Kontakt mit der städtischen Fachgruppe Pandemie. Die VBZ haben zudem einen Einsatzstab Coronavirus aktiviert, der die Lage mit dem Fokus auf die spezielle Situation im öffentlichen Verkehr laufend analysiert. Dieser ist im regelmässigen Austausch auf kantonaler Ebene mit dem ZVV und national ausgerichtet mit PostAuto Schweiz und anderen grossen Transportunternehmen. Informationen der VBZ zum Thema Corona-Virus