Welcher Bus hilft im neuen Jahr dabei, den inneren Rhythmus zu entschleunigen? In welchem Tram wirkt man total durchschnittlich (und dennoch süss)? Und was natürlich wie immer am meisten interessiert: Wo stellt man idealerweise die persönliche Zukunfts-Weiche? Antworten auf diese und andere verkehrs-astrologische Fragen gibts hier – notabene ohne Gewähr.
Oh nein, das hat gar nicht für Heiterkeit gesorgt, was uns Monica Kissling alias «Madame Etoile» in den ersten Januartagen auf «TeleZüri» für 2019 alles zusammen prophezeite: Die neben Elisabeth Teissier wohl bekannteste Schweizer Astrologin redete von harten Ladungen, Vertrauensverlust und Zukunftsängsten, vor allem aber von «Kollisionen zwischen Wunschvorstellungen und Realität»; sprich, dass viele von uns einfach zu viel Fantasie hätten, weshalb sich – ein schauriges Bild – im neuen Jahr Mal für Mal «Prinzen in Frösche» verwandeln würden!
Klar kann man sich zur Not an die seriöse Wissenschaft halten, die alles Horoskop-artige als gut kaschierten Hokuspokus abtut. Und doch bleibt da eine gewisse Ungewissheit, ob in all diesen Sternen nicht doch noch ein Fünkchen mehr als bloss das prächtige Funkeln und Glitzern am klaren Nachthimmel stecken könnte. Diese spannende Spannung wollen wir uns zu Nutze machen – und unseren geschätzten Fahrgästen nach 2017 zum zweiten Mal ein Linien-Horoskop mit auf den Arbeits- und Lebensweg geben (notabene erneut ohne Gewähr auf 100-prozentiges Eintreffen).
Tram 11
Noch vor zwei Jahren war die 11 quasi die «Löwin» unter den VBZ-Linien: Was nämlich für das Sternzeichen galt – «2017 wird Ihnen unter Mondknoten-Einfluss so sehr klar, wer Sie sind, und was Sie an sich haben, dass Sie nicht verloren gehen können», wie es Astrologin Roswitha Broszath des Magazins «Brigitte» absolut wunderbar formulierte – galt in der Zürcher Verkehrs-Astrologie (ZVA) auch für diese grüne Linie: Wie unsere interne Sterndeuterabteilung nämlich herausgefunden hatte, waren die kosmischen Schwingungen zwischen Auzelg und Rehalp derart energetisch und positiv, dass man sich entschied, die 11 ein Jahr lang als Doppel-1 zu lesen – weil 1 bekanntlich die Zahl der Sieger sei.
Nun, zwei Jahre später, zeigt sich für die 11 ein anderes, weitaus düstereres Bild: Aus der Linie des Triumphs (der offenbar damals tatsächlich auf einen nicht geringen Teil der VBZ-Kundinnen und -Kunden abfärbte, wie eine Umfrage ergab), ist die Linie des Verdrusses geworden – weshalb unsere Astrologen sagten, man solle die 11 doch heuer als ihre eigene Quersumme und damit als 2 lesen, getreu dem Mundart-Spruch «Häsch es Zwei uf em Rugge». Gerade Fahrgästen, die zwingend auf einen gewissen privaten wie beruflichen Erfolg angewiesen sind, empfehlen wir deshalb, auf andere Tram- und Bus-Linien umzusteigen, zumindest zwischen Januar und Mitte Juli, danach sollte sich die reibungsvolle Konstellation zwischen Mars und Saturn soweit entspannt haben, dass sie kaum noch spürbar sein wird.
Bus 33
Von einem Sorgenkind des neuen Jahres zu einer Linie, welche dieses Jahr derart viel Zuspruch erfahren sollte, dass es nicht allein zu Stosszeiten bisweilen schwierig sein dürfte, einen Sitzplatz zu ergattern. Gründe für die plötzliche Popularität der Linie 33 sind der immer hektischere Alltag und die daraus resultierende, stets noch gestresstere Mittelstandsgesellschaft. Und weil sich Herr und Frau Durchschnittszürcher beim besten Willen nicht alle paar Wochen ein entspanntes und entspannendes Wellnessweekend leisten können, zapfen sie zwangsläufig alltägliche «Entschleuniger» an – zum Beispiel eben die Fahrt in einem Bus, der zumindest im psychologischen Empfinden in stoisch gemächlichem Rhythmus zwischen den Polen Triemli und Kirche Fluntern hin und her gondelt.
Diese Wahrnehmung basiert frei nach dem Motto «Was Grossmutter/Grossvater noch wusste» auf der langsamen Abspielgeschwindigkeit von 33 Umdrehungen pro Minute der analogen Vinyllangspielplatte*, die sich eben wohltuend entschleunigt und damit gesund anfühlt.
* (Vinyllangspielplatten sind diese heutzutage fast nur noch in solch eigenartigen Einrichtungen wie Plattenläden zu findenden, runden, meist schwarzen und gerillten Scheiben, die man auf sogenannte Plattenspieler/Turntable legt, dann die richtige Umdrehungszahl wählt – neben 33 gibt es auch noch 45 Touren; diese schnellere Spielart wird zumeist für die kleineren 7-Zoll-Platten, auch geläufig als «Singles», gebraucht –, schliesslich den Tonarm mit der Nadel am äusseren Rand platziert, die Starttaste drückt, worauf, anfänglich oft begleitet von einem leichten Kratzen, die Musik erklingt).
Tram 7 und 13
Je umfassender und tiefschürfender das menschliche Wissen, umso stärker der Hang des Erdenbürgers zum Aberglauben! Dieses Paradox ist ein Klassiker wie das Schauen von «Dinner for One» am Silversterabend, irgendwie zum Lachen, irgendwie zum Gähnen. Und für dieses Horoskop insofern wichtig, als jene Frage, die unseren ZVA-Fachkräften am häufigsten gestellt wird, (sinngemäss) lautet: «Findet mich das Glück, wenn ich rege mit den Tramlinien 7 und 13 fahre?» Aus Jux schrieben wir im kleinen Linien-Horoskop von 2017 den folgenden Satz:
«Das Benützen der Tramlinie 7 – in etwas weniger ausgeprägtem Mass gilt das auch für die Linie 13 – entspricht laut ZVA im März, von Juni bis 15. August und in der zweiten Oktoberhälfte des Jahres 2017 bildlich gesprochen einem Vabanque-Spiel im Casino! Dramaqueen-mässig gesprochen: Entweder erlebt man in den genannten Zeitperioden a) das grösste Glück oder b) das grösste Unglück auf Erden!»
Astrologischer Fakt ist: Die Chance, dass einem das Glück (oder Unglück) im Jahr 2019 auf den Linien 7 oder 13 in auffallendem Mass häufiger findet als auf einer der anderen Tram- oder Busverbindungen der städtischen Verkehrsbetriebe, ist ähnlich hoch wie die Chance, dass frau/man 2019 im Schweizer Zahlenlotto als einzige Teilnehmerin oder als einziger Teilnehmer den Sechser holt! Also entspannen Sie sich!
PS: Pssst, Geheimtipp – Abergläubige, die mit dem Begriff Glück vor allem das Glück im Glückspiel meinen, sollten für das Ausfüllen von Lottoscheinen (altmodisch) oder für das Platzieren von Spielwetten per App (zeitgeistig) die Trams 15 und 17 benützten – das sind nämlich, wie wir von äusserst zuverlässiger Quelle wissen, jene beiden Zahlen, die an den Roulette-Tischen im Zürcher Casino beim Stauffacher 2018 am häufigsten zum Geldsegen führten, und dass man just auf diesen beiden Linien eine Station findet, die im Namen Laub beinhaltet – beim 15er ist es der «Laubiweg», beim 17er die «Laubegg» – ist wohl kaum Zufall, schliesslich geht dieser Begriff auf den germanischen Terminus «lauba» zurück, der für Blatt steht, und das gute Blatt ist ja beim Zocken das A und O und … nun, ich denke, Sie wissen, worauf wir hinauswollen.
Tram 6
Aber apropos Sechser, der passt als Thema grad bestens, denn ähnlich wie der Bus 33 dürfte sich auch diese Linie in den kommenden zwölf Monaten enormer Beliebtheit erfreuen – wenn auch aus einem ganz anderen Motiv (und ja, erotisch-hormonell ist die falsche Antwort). Des Rätsels Lösung findet sich in der Farbenlehre! Wir zitieren hier aus einer glaub ziemlich seriösen Lifestyle-Website namens «Jolie», wo man unter dem Schlagwort «Farben-Bedeutung: Braun» die folgende Definition findet:
Im Ranking der Farben bekommt Braun neben Grau eindeutig die meisten negativen Eigenschaften zugeschrieben. Braun galt lange Zeit als Farbe der Mittelmässigkeit, der Langeweile und des Spiessertums. Braun steht für das Unerotische, die Dummheit und das Verdorbene (Obst und Gemüse werden braun, wenn sie verfaulen). Im Mittelalter war Braun die hässlichste Farbe: die Farbe der Bauern, Knechte und Bettler. Erst in den letzten Jahren hat es Braun als Modefarbe geschafft und wird häufig als edler Hingucker verwendet. Zum Glück verbinden wir auch ein paar positive Dinge mit Braun. Es ist die Farbe des Genusses (Schokolade, Kakao und Kaffeebohnen sind braun) und steht für ein Schönheitsideal (zarte, sonnengebräunte Haut). Ausserdem ist Braun die Farbe der Erde und symbolisiert Bodenständigkeit, Pragmatismus und Bequemlichkeit. Zudem wird die Erdfarbe Braun in der Farbtherapie bei Gleichgewichtsstörungen eingesetzt, da sie Geborgenheit und Sicherheit vermittelt.
Wenn wir dies nun in kondensierter Form auf unsere Gesellschaft übertragen, erkennen wir sofort den Nutzen der Linie 6, deren weisse Ziffer bekanntlich von warmem Braun umgeben ist: All jene Menschen, die es endgültig satt haben, sich permanent als besonders-und-cool-und-lässig-und-speziell-und-toll-und-ungewöhlich-undsoweiter inszenieren und/oder selbstvermarkten zu müssen – sei es im realen Leben oder auf FB, Insta, Snapchat etc. – finden im Sechsertram, wo sie dank der historisch hergeleiteten Farbpsychologie automatisch zu mittelässigen, bequemen, bodenständigen und doch irgendwie attraktiven und süssen Spiesserinnen und Spiessern werden (die selbst auf der speziell zwischen Uni und Zoo arg steilen Strecke nicht aus der Balance geraten), endlich eine Oase der Ruhe, eine unscheinbare Fortbewegungsmöglichkeit unter Gleichgesinnten. Wenn das nicht topseriöse astrologische Lebenshilfe ist, wann denn dann, bitteschön?
Bus 70 und 184
Unabhängig davon, was uns «Madame Etoile» an schweren Tagen prognostizierte oder nicht, werden die einen oder andern Zürcherinnen und Zürcher in diesem neuen Jahr den Gürtel enger schnallen müssen – denn das Alltagsleben dürfte für die meisten kaum günstiger und der Lohn für ebenso die meisten kaum merklich höher werden. Solche Entwicklungen sind schmerzhaft, sie nerven, oft fühlt man sich dann benachteiligt.
Um diesem sozialen Unwohlsein wenigstens verkehrstechnisch ein wenig Gegensteuer zu geben, haben die VBZ getreu dem alten merkantilen Bonmot «Därfs no es bizzeli meh siii?» unlängst (und vor allem von vielen bis heute unbemerkt) die beiden Buslinien 70 und 184, die vorher von Mittelleimbach beziehungsweise vom Bahnhof Adliswil bis zur Haltestelle Morgental fuhren, um je drei Stationen bis zum Bahnhof Wollishofen hinunter verlängert – notabene zum genau gleichen Tarif wie davor! Wer also 2019 einen dieser typischen «Und natürlich komme ich wieder mal zu kurz»-Tage einzieht – was laut unseren ZVA-Sternguckern unabhängig vom Sternzeichen hauptsächlich in allen mit A, J oder M beginnenden Monaten plus im Februar, Oktober, November und Dezember der Fall sein könnte – sollte ab und zu vom Morgental an die neue Endstation fahren und diesen «Bonus» in vollen Zügen geniessen.
SZU
Was 2017 für die Glatttalbahn galt, gilt 2019 leider für die Sihltal-Zürich-Uetlibergbahn: Trotz einer angeblich noch letzte Woche verheissungsvoll aussehenden Konstellation der Gestirne (die man auf dem Planetenweg des Uetliberg sogar nachzustellen versucht hätte), lässt sich die planetare Stellung der SZU fürs neue Jahr inzwischen offenbar nicht mehr eindeutig interpretieren. Unsere Kollegen von der Zürcher Verkehrs-Astrologie bedauern dies sehr.
Tram 8
Sind Sie zufällig nicht mehr die oder der Jüngste? Weshalb Sie sich am 31. Dezember um Mitternacht vorgenommen, im neuen Jahr noch zum vielleicht letzten Mal etwas richtig Wildes zu tun? Horizonte zu erweitern, Grenzen zu erfahren? Schliesslich – haargenau: YOLO!, wie nicht nur Snöber Iouri «iPod» Podladtchikov weiss. Wer sich nun persönlich angesprochen fühlt, sich aber gleichzeitig doch sehr wundert, weshalb das Thema grad im kleinen Linien-Horoskop von vbzonline aufgeworfen wird, der oder dem sei gesagt: Aufgepasst! (oder: Attention! Attenzione! Attention!) Wir bieten Ihnen nicht nur eine banale Horizonterweitung, nicht bloss den Kitzel einer gewöhnlichen Grenzerfahrung, nein, wir bieten Ihnen die Möglichkeit, die schiere Unendlichkeit zu erfahren!
Gut, es ist ein Experiment, ein philosophisches Gedankenspiel. Aber dafür weder mit immensen Fernreisekosten noch mit Drogen oder ähnlichem Zeugs verbunden! Was es braucht, ist ein Spaziergang zum Hardplatz, wo Sie ihren Kopf so sehr in Schräglage bringen, dass Sie die grosse grüne 8 beim Tramhüsli in der Waagrechten liegen sehen (womit die Ziffer per Definition zum mathematischen Symbol der Unendlichkeit wird), dann steigen Sie (natürlich mit gültigem Billett) ins bereits wartende Tram, setzen sich und fahren quasi per Endlosschleife ein paar Stunden lang die Strecke, stets mit dem Gefühl, die Unendlichkeit von Runde zu Runde ein bisschen endlicher zu machen, will sagen, ihr ein wenig näher zu kommen. Wir habens am 2. Januar ausprobiert, es ist der der helle Wahnsinn!
Die persönliche Weichenstellung
Es ist das altbekannte Problem, und doch haben wir nach wie vor keine Lösung dafür gefunden. Kurz: Was die VBZ-Kundschaft naturgemäss am stärksten interessiert, ist die Frage, welche Haltestelle sich besonders gut eignen würde, um die persönliche Zukunfts-Weiche zu stellen. Nun, wir haben auch Ende letzten Jahres wieder lange mit den Sterndeutern der ZVA debattiert (dabei wurde vor lauter Ärger gar eine Lavalampe durch den Raum geworfen, sie war allerdings seit Jahren defekt, und es wurde niemand getroffen und verletzt, also alles halb so wild), doch sie konnten uns dennoch nur wieder dieselbe enttäuschende Antwort geben, die sie jedes Jahr geben, hier ist sie:
«Ihre innere Sonne wird Ihnen den Weg zur passenden Stelle weisen. Sollte es sich dabei zufälligerweise nicht um eine Haltestelle, sondern um eine Geleis-Weiche handeln, müsste Ihre innere Sonne weitersuchen, da das Betreten von Geleis-Weichen strikt verboten ist!»