Das ist unsere Kunst!

Noch bis 13. September bereichert die «ART Altstetten Albisrieden» den Kreis 9 mit Kunst im öffentlichen Raum. Was aber empfinden wir überhaupt als Kunst und vor allem: Wo existiert diese abseits der Ausstellung in Altstetten und Albisrieden?

Finden Sie, eine Grube mit dem dazugehörigen Schutt – so gesehen an der Ausstellung «Kunst am sterbenden Bau» der Sollbruchstelle – sei Kunst? «Das isch doch kei Kunst, das mach ich jedä Tag», dürfte der Strassenbauer dazu meinen. Vielleicht ist er aber ein Künstler und weiss es nicht? «Das Wort Kunst bezeichnet im weitesten Sinne jede entwickelte Tätigkeit, die auf Wissen, Übung, Wahrnehmung, Vorstellung und Intuition gegründet ist. Im engeren Sinne werden damit Ergebnisse gezielter menschlicher Tätigkeit benannt, die nicht eindeutig durch Funktionen festgelegt sind.». So verkündet es Wikipedia. Sorry, lieber Strassenbauer, deine Grube ist keine Kunst: Sie hat eine Funktion.

Die Frage, «Was ist Kunst?» scheint so schwierig zu beantworten, wie die Frage nach dem Sinn des Lebens. Erhellende Ernüchterung bringt der Psychologe Irvin D. Yalom: «Wir Menschen scheinen Sinn suchende Kreaturen zu sein, die das Pech haben, in eine Welt geboren zu werden, der eigentlich von sich aus kein Sinn innewohnt.» Wahrscheinlich weiss das auch die Kunst, und wenn Sie es nicht wissen, dann suchen Sie doch mal die goldene Kugel im Boden des Zürcher Hauptbahnhofs. Diese ist Teil des Projekts «Le rien en or» von Dieter Meier und will uns sagen, «dass es keinen Sinn des Seins gibt». Sie ist «Unsinn und die Unbedeutung».  Die Goldvreneli in Ihrem Tresor, liebe Leserinnen und Leser, sind übrigens keine Kunst, sie haben eine Funktion: Ihnen die Illusion von Sicherheit und Sinn zu vermitteln. Äxgüsi.

Nun verhilft die Kiör (Kunst im öffentlichen Raum) noch bis 13. September zu einer neuen, künstlerischen Perspektive der Quartiere Altstetten und Albisrieden. Während der «AAA Art Altstetten Albisrieden» bespielen 30 Künstlerinnen und Künstler den öffentlichen Raum mit Interventionen, die dem Strassenbild «eine unverwechselbare künstlerische Dimension und Identität verleihen», wie im «AAA ART Altstetten Albisrieden»-Katalog zu lesen ist. Die Frage nach dem Sinn muss nicht weiter quälen, aber ist die Motivation, das Quartier mit neuen Augen zu sehen, nicht irgendwie eine Funktion?

Wir sind verwirrt, finden die Idee aber trotzdem gut. Da Altstetten der «Heimatort» unseres Redaktionsteams ist, gehen wir noch einen Schritt weiter. Wir sind nämlich in uns und die Quartiere gegangen und berichten Ihnen nun, was im Stadtkreis 9 unser musisches Herz schon immer erfreut hat, unser Empfinden von Kunst ist. Hier sehen Sie das Resultat.

«Kunst soll mich berühren, und das tut sie nur, wenn sie mich zum Denken anregt. An diesem Ort geschieht genau das. Ich hänge meinen Gedanken nach, ja, gerate gar ins Philosophieren. Ich fühle mich angespornt, im grossen Beliebigen den Blick für das kleine Besondere nicht zu verlieren. Die Kunst des Zusammenlebens, des Lebens und manchmal des Überlebens ist hier allgegenwärtig – so werden Lebenskünstler geschaffen.» Rebecca Veiga
«Kunstinstallationen auf dem Friedhof zu platzieren nenne ich ‹Wasser an Rhy treit›. Die Kunst der Steinbildhauer beginnt schon beim Einfühlen in ein Gegenüber, dessen Welt vielleicht gerade aus den Fugen geraten ist. Sie endet in einem Objekt, das der Erinnerung dieser Menschen gerecht werden soll. All diese Geschichten hinter dem Werk, das macht für mich Kunst aus.» Natascha Klinger
«Das berühmte ‹Brünneli›. Trinkwasser für Kinder, Erwachsene, Behinderte und Hunde. Die Kunst dabei ist, beim Trinken nicht an ein Pissoir zu denken.» Manuela Engeli
«Ohne Worte.» Heinz Vögeli
«Hundertmal bin ich an diesen Gleisen mit dem Velo vorbei gefahren, ohne sie wahrzunehmen. Oder wenn, dann nur ganz flüchtig, ah Gleise… da kommt eine Baustelle, bin dann weiter gefahren – hopp ins Büro. Bis ich einen Artikel über die Bellevue-Baustelle schrieb, genauer: Über den Weg, den die Gleise zurück gelegt haben, welche am Bellevue nun im Boden liegen. Und plötzlich ist man ganz nah dran an etwas, sieht es neu und anders. Ja, auch das ist für mich Kunst, vom Grossen ins Kleine zu wechseln. Oder umgekehrt. Und dabei zu lernen oder einfach nur zu staunen.» Elina Fleischmann

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