Wenn «Nuevo Latino» neuerdings schon im Tram serviert wird, muss was dran sein. Jede Menge Vitamin C zum Beispiel: Unser Redaktionsteam hat das lebensfrohe Rezept einem Praxistest unterzogen.
Bilder: Lorenz Huber, Elina Fleischmann
Witterungsbedingt wachsen uns bald Kiemen; ein sonniges Gemüt ist gefragt. Also beschlossen wir, das Beste aus dieser Konstellation in ein kulinarisches Experiment einfliessen zu lassen: Ceviche nach Art des Hauses. Das peruanische Gericht aus rohem Fisch bildet einen wesentlichen Bestandteil des kulinarischen Trends, der sich «Nuevo Latino» nennt. Es soll ausserdem schnell zubereitet sein. Ob das so ist, hat unser Redaktionsteam in einer Nacht- und Küchenaktion persönlich ausgetestet.
18.00 Uhr
Was sehen wir vor unserem geistigen Auge, wenn wir an Lateinamerika denken? Genau: Leidenschaft, freundliche Menschen und bunte Märkte. Geschlossen betreten wir also die Markthalle beim Viadukt. Dort ist vorbestellt, wonach uns heute gelüstet: Frischer Fisch. Und zwar richtig frisch: Sashimi-Qualität muss er haben, denn wir essen ihn roh und möchten auch morgen noch froh sein.
18.15 Uhr
Bevor wir das Lachsfilet, den Thunfisch und die Black-Tiger-Shrimps aus dem Kühlfach angeln, versetzen wir erst einmal die Gemüse- und Früchteabteilung in Aufruhr: «Koriander» liest eine von uns lautstark aus dem Rezept vor, derweil die übrigen Beteiligten durch die Regale wuseln und Mango, Avocado und gaaaanz viel Limetten zu einer kleinen Kopie des bunten Marktes in die Waagschale stapeln. «Oh ja, Knoblauch ist wichtig», ruft es da, «Süsskartoffeln, wir brauchen Süsskartoffeln» antwortet es dort.
18.30 Uhr
«Morgens um 4 Uhr hat die ganze Familie noch getanzt, damals in Peru – das sind die Limetten im Pisco. Die geben einfach Energie.» Der zuständige Mann in der Getränkeabteilung hat nicht nur Angostura im Angebot, sondern weiss auch, worauf es ankommt: Den eben genannten Bitter, Limetten, Zuckerwasser, Eier, Eis – Pisco nicht vergessen – und ein ordentlicher Schuss Lebensfreude. So entsteht Pisco Sour, und Sour macht lustig.
19.00 Uhr
Jetzt geht’s los: Die Zutaten werden im Vier-Viertel-Takt zerkleinert, der Knoblauch gewürfelt und mit Limetten- und Orangensaft getränkt. Der Fisch entledigt sich seines Kleides, bevor er ins Limettenbad steigt: Also: Haut entfernen und das Fleisch in drei bis fünf cm langen diagonalen Stücken in der Form auslegen. Am Tisch entbrennen hitzige Diskussionen: «Nimm die Kerne aus dem Chili!». «Nein, die Kerne bleiben drin!». Noch ist nicht geklärt, wie feurig der Abend werden soll. Einigen schiessen bereits die Tränen in die Augen. Die Zwiebeln wollen halt auch geschnitten werden.
20.00 Uhr
Pura vida, wer bitte braucht ein Rezept? Die Mangos landen bei den Shrimps statt bei der Dorade – ach, die haben wir ja gar nicht eingekauft. Das Sammelsurium aller Zutaten – farbenfroh wie ein peruanischer Webteppich – wird gleichmässig in die bereitstehenden flachen Schüsseln verteilt. Petersilie, Koriander, Chili und die Zwiebeln, zum Schluss das Wichtigste: Der Limettensaft. «Die Quintessenz beim Ceviche ist nämlich, dass der Saft den Fisch kocht». Wie bitte? In der Fachsprache ausgedrückt heisst das: Beim Erhitzen «denatuieren» die Eiweissstoffe. Die Säure der Limetten hat den selben Effekt. Aha. Damit sich dieser physikalische Vorgang voll entfalten kann, wird das Ceviche also unter einer Frischhaltefolie tief in die Form gepresst und denaturiert nun – wichtig! – zwei Stunden vor sich hin.
21.00 Uhr
7 Köche, ein Sofa. Ceviche ist nicht zuletzt deswegen das perfekte lateinamerikanische Gericht, weil man sich – derweil sich der Fisch im Kühlschrank entspannt – mit Fug und Recht der schönsten Nebensache der Welt widmen kann: dem Fussball. Und so sitzt das Team nun ähnlich aneinandergepresst wie die Shrimps, jedoch ohne Folie, vor dem TV und feuert Rumänien an. Oder Frankreich – je nachdem.
22.30 Uhr
Also, wer hat nochmal behauptet, Ceviche sei schnell zubereitet? Ok, die Intervalle zwischen den einzelnen Aktionen fallen zugegebenermassen – Fussball hin oder her – etwas lang aus. Das liegt an der Geheimzutat, die wir jetzt preis geben: Ein grosser Balkon mit Palmen, auf welchem sich die Köchinnen immer wieder der Süsse des Daseins und der Milde der einzigen sommerlichen Nacht in dieser Woche hingeben, und natürlich auch – Sie erinnern sich – dem Pisco. Wir wollen schliesslich fit bleiben.
23.00 Uhr
Jetzt ist es soweit: Die Runde sitzt, eingehüllt in ein verheissungsvolles Aroma, erwartungsfroh am Tisch, und macht sich schliesslich hungrig über die Delikatessen her. «Caliente» – die Süsskartoffeln sind heiss, der Fisch kalt, gustatorische Gegensätze prallen auf unseren Zungen aufeinander. Das Duftbouquet aus sauren Limetten, frischem Koriander, herzhaftem Knoblauch und scharfen Zwiebeln lässt unsere Geschmacksknospen Samba tanzen. Bald sind wir still, dann wieder laut: «Mmmhh».
Ungefähr 04.00 Uhr
Der Getränke-Mann in der Markthalle hatte Recht: Wir tanzen. Muss aber nicht zwingend sein. Wer von «Nuevo Latino» nicht ganz so proaktiv bewegt werden möchte oder keinen Balkon mit Palmen hat, kann sich auch einfach durch Zürich kutschieren lassen. Lateinamerikanisches Temperament gibt’s – so ganz nebenbei – neuerdings nämlich auch in der VBZ Genuss-Linie: Im Nuevo-Latino-Tram.
So klappt es mit dem «Nuevo Latino»
Das einfachste Rezept für ein gelungenes «Nuevo Latino»-Menü geht so: Man klicke auf den Link genusslinie.ch und lasse sich bedienen. Am Lancierungs-Tag können Sie in der Extrafahrten-Schleife am Bellevue ausserdem Tickets für eine kurze Probefahrt gewinnen.Für alle, die lieber selber die Ärmel hochkrempeln, finden sich hier die Rezepte, die wir nach Lust und Laune umgesetzt haben. Unsere Einkaufsliste:300 Gramm Black-Tiger-Shrimps500 Gramm Saku-Tuna500 Gramm Lachsfilet16 Limetten 1 Flasche frischer Limettensaft 1 Zitrone 3 Bund Koriander 1 Mango 2 Avocado 3 Tomaten 7 rote Zwiebeln 3 Frühlingszwiebeln10 ChilischotenKnoblauchOlivenöl, Zucker und Salz, Cayennepfeffer, 10 Süsskartoffeln (gewürzt mit Salbei und Rosmarin, im Ofen gebraten)PiscoAngosturaEierZuckerwasser(Limettensaft)