Unsere erfolgreiche App «Züri schlaflos» offeriert mehr als 170 Geschichten über Zürcher Bars, Clubs, Kulturhäuser, Restaurants und andere urbane Hotspots und Schauplätze. Die Stadtneurotiker, Journalisten und Autoren Philippe Amrein und Thomas Wyss haben über unterschiedlichste Lokalitäten und Orte streng subjektive und oft ziemlich schräge kleine Stadtgeschichten verfasst.
Mit dem 2004 eröffneten Cabaret Voltaire verhielt es sich lange Zeit so wie in den 70er-Jahren mit der schwarzhumorigen englischen Komiker-Truppe Monty Python: Die einen vergötterten das kleine Zürcher Kulturhaus, die andern hassten es von ganzem Herzen.
Der Mann, der für diese unversöhnliche Sympathieauslegung verantwortlich war, heisst Philipp Meier. Er war der erste Direktor der Dadaismus-Gedenkstätte (die sich an der Spiegelgasse 1 befindet, genau da, wo Hugo Ball und Emmy Hennings am 5. Februar 1916 das Ur-Cabaret-Voltaire errichtet hatten) und ein Agent provocateur vor dem Herrn: Er veranstaltete Philosophie-Massaker, beorderte einen betenden Muezzin auf den Grossmünster-Turm, liess öffentlich Geld verbrennen oder einen Ex-Profischwimmer die Schweizer Meisterschaften ins Absurde führen, indem der Athlet bei Rennhälfte kehrt machte und damit «gegen das irre Gewinnstreben der Leistungsgesellschaft» protestierte.
Dieses provokante «l’art pour l’art», das von rechtsbürgerlichen Politikern von Beginn weg harsch kritisiert wurde, war irgendwann auch dem Stiftungsrat der Institution zu viel: Erst degradierte man Meier zum Co-Direktor, und im Sommer 2012 drängte man ihn mit Nachdruck zum Abgang (nach dem Absprung potenter Mäzene war das Geld so knapp geworden, dass man um die Existenz des Hauses bangen musste). Zum neuem Chef wurde der zweite Co-Direktor Adrian Notz, und der läutete nach dem Sturm eine ruhigere Epoche ein. Extreme Happenings à la Meier (der angeblich als «ultimative Kunstaktion» an einem 1. April gar mal das Cabaret Voltaire abfackeln wollte – die irre Geschichte ist im Buch «Das um ein Haar geköpfte Matterhorn» nachzulesen) sucht man jetzt vergebens, die Konzentration gilt dem «Kerngeschäft».
Dazu gehört die im Frühling 2013 in der hauseigenen Gruft eröffnete und fürwahr tolle Dauerausstellung, die anhand von Ton- und Bilddokumenten sowie mit einem Dadaisten-Firmament an der Decke die Entfaltung der internationalen Bewegung in ihrer Blütezeit aufzeigt. Dazu gehören Diskussionen an den Grenzlinien von Kunst, Gesellschaft und Philosophie, die im Café oder Hauptsaal durchgeführt werden. Und dazu gehören nicht zuletzt die Planungen fürs 100-Jahre-Dada-Jubiläum 2016.
So resümiere ich: Bewegte sich Zürichs Neo-Dada-Bewegung lange Zeit immerzu am Rande irgendeines Nervenzusammenbruchs, ist sie heute fast zu anständig und zu brav. Dennoch ist das Cabaret Voltaire immer wieder mal ein «Place to be».
Zur Website des Cabaret Voltaire.
Am 5. Februar 2016 jährt sich an diesem «Place to be» die Eröffnung des Cabaret Voltaire zum 100. Mal und Dada feiert damit ein Jahrhundert der Existenz. Geehrt wird dies mit 165 Feiertagen und einer Manifestation der Obsession Dada. Das erklärte Ziel ist die Transformation des Cabaret Voltaire, um es zu dem zu machen, was es vor 100 Jahren war: eine Künstlerkneipe, ein freier Ort der zeitgenössischen Kunst – und eben – ein Proklamation des nächsten Nervenzusammenbruchs.
Hat der Artikel Lust auf noch mehr Dada-Erlebnisse gemacht? Noch bis zum 1. Mai zeigt das Kunsthaus Zürich die Ausstellung «Dadaglobe Reconstructed». Im Museum Rietberg dreht sich bis zum 17. Juli alles um das Thema «Dada Africa».
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