90 Jahre lang war die nähere Umgebung der Kreuzung Wehntalerstrasse – Hofwiesenstrasse das Gebiet «rund um das Radiostudio Zürich». Einzig das Restaurant «Fallender Brunnenhof» erinnerte an vergangene Zeiten. Aber praktisch niemand erinnerte sich daran.
Wer in der Stadt Zürich die Quartiere Unterstrass und Affoltern kennt, dem ist auch die Haltestelle Radiostudio ein Begriff. Seit Dezember 2023 hat diese Tram- und Bushaltestelle nun einen neuen alten Namen: Brunnenhof.
Bis Mitte des letzten Jahrhunderts war das Gebiet um die Kreuzung Wehntaler- und Hofwiesenstrasse noch überwiegend ländlich. Zwei Bauernhöfe prägten das Bild. Der «Untere Brunnenhof» wurde 1840 gebaut. Zum Hof gehörten eine Futterscheune, Stallungen, Remisen und ein Fuhrwerksbetrieb. Der Ausbau der Wehntalerstrasse versprach in jenen Jahren einen regen Fuhrwerkverkehr aus der Stadt in Richtung Zürcher Unterland. Die Kreuzung war ein strategisch günstiger Ort für eine Gaststätte, die in den Bauernbetrieb integriert wurde. Zuerst besass die Eigentümerfamilie Dübendorfer ein Weinpatent, 1886 erhielten sie ein Speisewirtschaftspatent. Der Bauernhof wurde 1958 abgerissen und das Mehrfamilienhaus mit Wirtschaft, das heute noch an der Ecke Richtung Norden steht, wurde gebaut.
Grösser und wichtiger war der «Obere Brunnenhof», der auch «Rütihof zum fallenden Brunnen» genannt wurde und bis 1832 dem Chorherrenstift Grossmünster gehörte. Das Radiostudio wurde 1933 auf einem Teil des Grundstücks vom Rütihof errichtet. Der Rütihof wurde schon 1256 zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Der Name der beiden Höfe geht auf die Tatsache zurück, dass in dieser Gegend dank dem Gefälle vom Waidberg an den Brunnen auf natürliche Weise reichlich Wasser floss. Es brauchte keine Hilfsmittel wie bei einem Zieh- oder einem Pumpbrunnen.
Vom Bauernhof zum Radiostudio und Schulhaus
Als das Radiostudio 1933 erbaut wurde, stand es noch am Rande der Stadt. Während der Anfangszeiten wurde täglich nur einige Stunden Radio für ein noch überschaubares Publikum gesendet. Trotzdem war der erste Bau schon bald zu klein und wurde Ende der dreissiger Jahre erweitert. Als das Radio in den 1960er Jahren immer populärer wurde, musste wieder vergrössert werden. Radio wurde zu einem Begleitmedium für praktisch alle Haushalte mit Nachrichten, Musik, Wortsendungen, Hörspielen, Live-Konzerten aus den eigenen Konzertsälen und vielem mehr. Der achtstöckige Neubau von Max Bill wurde 1970 eingeweiht. Noch heute prägt das Haus die Kreuzung der Hofwiesen- und der Wehntalerstrasse.
Die Zeiten ändern sich
Ende August 2022 verstummten die Sendungen aus dem Radiostudio beim Bucheggplatz. Neu befinden sich die Studio- und Redaktionsräume im Leutschenbach, irgendwie wieder am Rande der Stadt. Seither werden der Mittel-, Ost- und Turmtrakt des Gebäudes umgebaut. Denkmalgeschützt sind die Fassade des Hochhauses und das Studio 1 im alten Trakt. Neu entsteht in den alten Gebäuden die Schulanlage Brunnenhof, die für 15 Schulklassen Platz bieten und dieses Jahr dem Schulbetrieb übergeben wird. Bereits gibt es konkrete Pläne, um die Schule zu vergrössern. Auf dem Westtrakt vor dem Hochhaus plant die Stadt einen Neubau, in dem weitere sechs Schulzimmer und zwei Einfachsporthallen entstehen sollen.
Unverändert bleibt die Verkehrsführung von Tram und Bus – noch. Für einen regelmässigen Busbetrieb nach Affoltern benötigte es mehrere Anläufe. Ein erster Probebetrieb vom Löwen Affoltern zum Milchbuck dauerte 1905 nur wenige Wochen. 1910 wurde ein weiteres Gesuch eingereicht, das eine Busverbindung zum Milchbuck ermöglichte. Das zweite Projekt wurde 1914 eingestellt. 1925 fuhr wieder ein Bus zum Milchbuck und gab der Bevölkerung die Möglichkeit, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum damaligen Leonhardsplatz (heutiges Central) zu fahren.
Vom Bucheggplatz fährt das Tram seit dem 1. Oktober 1930 nach Oerlikon, am fallenden Brunnenhof und am Radiostudio vorbei. Eine Haltestelle mit einer ganz eigenen Vergangenheit und hoffentlich weiteren Veränderungen in der Zukunft – wie das geplante Tram Affoltern.
Mehr Informationen zum Quartier Affoltern und dem geplanten Tram finden Sie unter vbz.ch/affoltern .