Als «friendly work space» sind den VBZ eine ausgewogene Work-Life-Balance wichtig. Mit welchen spannenden Interessen unsere Mitarbeitenden einen Ausgleich zu ihrem Arbeitsleben schaffen, verraten sie uns in dieser Serie. Zum Auftakt: Rebecca Gimmi, Leiterin Informatik und Fallschirmspringerin.
Es sind die Menschen, die eine Firma zu dem machen, was sie ist und ausstrahlt. Und natürlich tragen auch bei den Zürcher Verkehrsbetrieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit ganz unterschiedlichen Ausbildungen, Erfahrungen, Fähigkeiten oder kulturellen Hintergründen zum Charakter und zum Erfolg des Unternehmens bei. Mehr noch – bei den VBZ wird sogar das Sprichwort Lügen gestraft, es sei noch kein Meister vom Himmel gefallen. Rebecca Gimmi ist als Leiterin der Informatik unbestritten eine Meisterin ihres Fachs. Es gibt wenig, was sie aus allen Wolken fallen lässt – und doch ist sie schon öfter vom Himmel gefallen: Dann nämlich, wenn sie ihren grossen Rucksack an Wissen und Erfahrung gegen den Fallschirmrucksack getauscht hat.
Begonnen hatte es 2002 in Belp, dem «Tor zur Welt», wie sich der Berner Flughafen selber nannte: Ebenda wurde Gimmi von einem Kollegen herausfordernd gefragt: «Bisch debii?» Was er meinte: Ob sie sich in einem sogenannten Tandemsprung mit ihm aus einem hoch oben fliegenden Flugzeug in die Tiefe stürzen würde. Die bodenständige Bernerin liess sich nicht zweimal bitten, in die Luft zu gehen. Fünfzehn Minuten später befand sie sich im freien Fall – und merkte sofort: «Das ist mein Ding!» Das, obwohl sie in unserem Gespräch mehrfach betont, die Luft sei nicht des Menschen Element, und deswegen erfordere das Fallschirmspringen von allen, die das tun, unbedingt viel Respekt. Eine Woche nach ihrem Sprung sass sie schon im Grundkurs. «Ich habe all meine anderen Termine gecancelt, so wichtig war mir diese Sache», erinnert sie sich mit einem Lachen.
Eine gefühlte Woche Erholungsferien im Freifall
22 Jahre sind seit ihrem «Jungfernflug» vergangen. Das Hobby hat der 60-jährigen viel gegeben. Ein nicht zu übertreffendes Gefühl von Freiheit natürlich, aber nicht nur: «Es ist wie eine Woche Ferien. Du musst präsent sein, dich voll konzentrieren, sonst bist du in Gefahr. Dein Kopf wird buchstäblich durchlüftet, der Stress des Alltags vom Wind fortgetragen – es windet immerhin mit einer Geschwindigkeit von 180 Stundenkilometern.» Ein weiterer Aspekt sei, dass dieser Sport das Selbstvertrauen enorm stärke, ohne funktioniere es nicht. Mit diesem Vertrauen in sich selbst aber komme dann stets dieser Moment, bei dem sie alles loslassen könne.
Loslassen musste die passionierte Fallschirmspringerin vor zwei Jahren aber genau dieses Lebenselixier, und zwar wegen des vorgängig geschilderten Respekts: «Ich hatte eine schwere Operation am Bein, das begleitete mich gedanklich auch beim Springen. Es ist nicht ratsam, mit seinen Gedanken woanders zu sein. Ein beliebter Spruch unter Fallschirmspringern laute ‹der Himmel setzt keine Grenzen, der Boden schon.›» Das Risiko einer irreversiblen Verletzung sei ihr einfach zu gross geworden, erläutert sie ihre Entscheidung.
Auf dem Kopf und in Formation an der Schweizer Meisterschaft
Ganz verzichten muss sie jedoch nicht, sie übt ihre Leidenschaft weiter indoor im Windkanal aus, wo sie schon seit 15 Jahren aktiv ist. Da es indoor keine eigentliche Landung gebe – man fliegt bis zum Schluss und setzt so den Fuss bei geringer Geschwindigkeit auf den Boden auf – bestehe auch kein Risiko für ihr Bein. «Trotzdem ist auch das Action pur», so Gimmi, «wie beim Fallschirmspringen verfliegt der Stress in Nullkommanichts». Es handle sich dabei um eine Glasröhre, in der man in einem Windstrom fliegt. Das Angebot steht – in Begleitung eines Instruktors – allen Leuten offen – ganz nach dem Motto «jede*r kann fliegen!» Unter den sogenannten Proflyern, die keiner Instruktion bedürfen, seien aber 90 Prozent der Gäste Fallschirmspringer und -springerinnen. «Sie üben dort im Winter oder wenn das Wetter schlecht ist», erklärt die Vielfliegerin.
Sie selber übt einmal Mal wöchentlich eine Stunde, das entspricht in etwa 60 Absprüngen aus dem Flugzeug. Die Sportlerin fliegt zwei Disziplinen: «In der Formation fliegen wir im Team, maximal eine halbe Stunde, aufgeteilt in zwei Blöcke à 15 Minuten, mit zehn verschiedenen Formationen. Danach ist man mental erschöpft», erklärt sie. Das Team besteht (wie schon vorher, beim Fallschirmspringen) aus ihrem Partner und einem befreundeten Paar. Das verbindet. «Beim sogenannten ‹Free Fly› geht auch eine Stunde. Dabei fliege ich allein oder – um neue Elemente zu lernen – mit einem Coach und drehe mich um die eigene Achse. Auf dem Bauch zu fliegen wurde mir zu langweilig. Mein nächstes Ziel ist es, auf dem Kopf fliegen zu können», sagt sie begeistert. An Vorhaben mangelt es Rebecca Gimmi ohnehin nicht: Sie betreibt den Sport im Windkanal wettkampfmässig und nimmt mit ihrem Team im März 2025 an den Schweizer Meisterschaften in Sion teil.
Die Sehnsucht
Keine Sehnsucht nach dem Sprung unter freiem Himmel? «Das fehlt mir extrem», gesteht Gimmi und wiederholt diesen Satz seufzend noch zwei weitere Male. «Ich sage immer, der Windkanal ist eine Minikompensation. Zwar hat man das Gefühl von Freiheit auch dort. Aber die Landschaft – ich bin in so vielen Ländern gesprungen –, den Adrenalinkick und die Erde, die immer näherkommt, vermisse ich sehr.»
Auf die Frage, ob ihr Entschluss, draussen nicht mehr zu springen, unverrückbar sei, wiegt sie den Kopf hin und her und meint: «Immer, wenn es dem Bein kurzfristig etwas besser geht, denke ich darüber nach, wieder einzusteigen. Aber leider verschwinden die Beschwerden nicht dauerhaft.»
Zum Schluss ein Tipp für Einsteigerinnen oder Einsteiger? «Unbedingt ausprobieren!» sagt Gimmi. Und: Höhenangst gelte übrigens nicht als Ausrede, denn sie habe keinen Einfluss. Auf einem Turm oder einer Brücke sehe man den Boden, da habe man eine visuelle Referenz. Beim Sprung aus dem Flugzeug sei das indes nicht der Fall. Und auch das Alter sei kein Faktor – sie hätten schon Tandemflüge mit 75-jährigen gemacht, ebenso mit Personen, die von der Hüfte abwärts gelähmt oder gar blind seien.
Die Leidenschaft ist deutlich spürbar, wenn Gimmi für den Sprung vom Himmel wirbt: «Natürlich bin auch ich tausend Tode gestorben, als ich das erste Mal alleine sprang. Man verlässt die Komfortzone, es braucht Mut», sagt sie: «Aber es ist eine unbeschreibliche Erfahrung, die einen nicht mehr loslässt.»
Titelbild: Raymond Gimmi