Der Herbst hält langsam Einzug und wir erinnern uns an eine Sommernacht in Zürich. Auf einer Erkundungstour erlebten wir hautnah, wie, wo und wann viele Mitarbeitende der VBZ beruflich nachtaktiv sind.
Autorinnen: Susanna Gillmann Stöcklin und Daniela Tobler Kohler
Bilder: Tom Kawara, Zürich
Ein Artikel aus dem VBZ-Mitarbeitermagazin Im Takt, August 2015
20.15 Uhr. 31 °C. Areal Kalkbreite
Eine erlebnisreiche Sommernacht beginnt. Überall herrscht angeregte Abendstimmung. Im orientalischen Café Bebek auf dem grossen Platz der Wohnsiedlung Kalkbreite trifft man sich in lockerer Stadtatmosphäre zum Feierabendbier. Die neue Tramhalle steht noch leer. Szenenwechsel.
20.34 Uhr. 31 °C. Tramdepot Kalkbreite zum Ersten
Ein erster Augenschein: Ruhige, unaufgeregte Atmosphäre. Reinigungsleute bringen Innenräume von Trams auf Vordermann. Entspannte Stimmung auch bei den Trampilotinnen und -piloten. Es wird geplaudert, gelacht und relaxt. Ein Kaffee auf die Schnelle getrunken, ein kleiner Imbiss verdrückt im Pausenraum, kurz mal die Beine hochgelagert.
Trampilotin Rebecca Ogg geniesst die Verschnaufpause vor dem nächsten Einsatz. Ihre abendliche Zwischenverpflegung hat sie im Tupperware mitgebracht. Ist ihr bei diesen tropischen Temperaturen in langen Hosen nicht zu heiss? «Zur Uniform gehört eigentlich ein Jupe, aber ich trage ihn nicht so gern. Hosen bieten mehr Bewegungsfreiheit. Mir ist wohl so.» Macht ihr die Hitze zu schaffen? «Die Cobra ist zwar klimatisiert, lieber jedoch ist mir die Fahrt mit dem Tram 2000. Dort lässt sich das Heckfenster beim Führerstand öffnen und ein angenehmer Luftzug begleitet mich während der Fahrt durch die Nacht.» Auch Trampilot Bessem Meniaoui hat Pause. «Ich bin ein Nachtmensch und arbeite gerne spät», erklärt er lachend.
Langsam bricht die Dämmerung an. Die Trams der «ersten Welle» fahren ein. Für kurze Zeit entsteht rege Betriebsamkeit. Der verantwortliche Instandhalter sorgt für die richtige Einreihung der Fahrzeuge und klärt ab, bei welchen Trams Reparaturen nötig sind.
21.32 Uhr. 29 °C. Tramfahrt zur Leitstelle
Das Tram der Linie 3 ist gut besetzt. Wir geniessen die kurze Fahrt. Allerdings provoziert unsere Präsenz bei einigen Passagieren unbeabsichtigte Nervosität. Nur keine Panik! Trotz unserer gelben VBZ-Westen sind wir keine Kundenberaterinnen auf Kontrolltour. Wir haben eine andere Mission. Umstieg auf die Linie 2 an der provisorischen Haltestelle Albisriederplatz. Unser Blick wandert Richtung Baustelle, doch dort wird heute Nacht nicht gearbeitet. Still und leise steigt der Vollmond über den Dächern der Wohnsiedlung Zurlinden auf.
Auf der Leitstelle ist es momentan ruhig. Das kann sich aber von jetzt auf sofort ändern. «Seit 20 Uhr ist nicht viel los, doch zwischen 18 und 19 Uhr kam alle paar Minuten ein Notruf», erklärt Bernd Wittig. Noch sind die Disponenten zu zweit; bis eine halbe Stunde vor Mitternacht. Marco Suter und sein Kollege arbeiten gerne nachts, auch der Abwechslung wegen. Notruf: Eine Trampilotin meldet, dass sich eine Türe ihres Trams nicht schliessen lässt. Trotzdem kommt keine Hektik auf. Sie kann den Defekt selber beheben. Selbst ist die Frau! Zur Sicherheit aber bietet Bernd Wittig den «Züri 4» auf, denn zu sensibel reagiert das Netz auf mögliche Auswirkungen einer Türstörung.
«Die ganz normale Nacht gibt es nicht.»
Alle Notrufe gelangen hierhin. Drei Serviceleiter sind abrufbereit auf Pikett-Tour. Wenn immer nötig: Hilfe ist garantiert! Gibt es nächtliche Besonderheiten? «Die ganz normale Nacht gibt es nicht. Es kommt vor, dass Fahrgäste, welche die Hitze nicht ertragen, schon wegen einer kleinen Verspätung austicken.» «Oder wenn Vollmond ist», meint Marco Suter lachend. Er wird erst um 1.45 Uhr Dienstschluss haben, wenn das letzte Tram im Depot eingefahren ist. Nur wenige Stunden ist es unter der Woche dunkel auf der Leitstelle. Dienstbeginn ist jeweils um 4.30 Uhr.
22.51 Uhr. 27 °C. Bahnhofplatz
Eine herrliche Vollmondnacht. Dennoch: Seltsam leer scheint heute die sonst so belebte Ausgehmeile Langstrasse. Serviceleiter Manuel Glatz fährt uns in einem Troubleshooter-Einsatzwagen zur Baustelle beim Bahnhofplatz. Scheinwerfer machen die Nacht zum Tag. Überall Action. Die Sanierungsarbeiten an den Gleisen sind in vollem Gang und die 8-köpfige Equipe mit ihren leuchtenden Sicherheitskleidern fällt auf. Das nächtliche Treiben lockt interessierte Zaungäste an. Auch zahlreiche Pärchen und andere Nacht-Flaneure sind unterwegs. Und Tagesmüde möchten möglichst schnell heim, aber sie wissen ja: schon bald kommt das nächste Tram!
Manuel Glatz arbeitet seit 10 Jahren bei den VBZ. Er hat eine Ausbildung zum Betriebsmanager absolviert. Seit Februar ist er Serviceleiter Züri 9; ihm unterstehen neun Mitarbeitende. «Heute ist es extrem ruhig. Viele sind bei diesem Traumwetter bestimmt am See. Es gibt aber Tage, da sind bis zu fünf Mitarbeitende als Springer im Fahrdienst. Habe ich genügend Leute, machen wir eine Schwerpunktkontrolle.» Funkruf: Kollegin Clara Videtta meldet, dass der Pantograph des 17ers die Fahrleitung doch nicht beschädigt hat. Gut so!
Ein junges Paar kommt und erkundigt sich, ob hier der 14er zum Salersteig fahre. Wir nutzen die Warteminuten und fragen, ob die beiden regelmässig mit dem ÖV unterwegs sind. «Natürlich! Wozu braucht man in der Stadt ein Auto?» entgegnet der junge Mann ohne Zögern. «Der ÖV in Zürich funktioniert ja tadellos», bestätigt seine Begleiterin. Nach wenigen Minuten fährt der 14er ein. Ein letzter Kuss, die junge Frau steigt ein. Er bleibt zurück und entschwindet in die Nacht.
Traminseln leeren sich. Bald fahren die letzten Kurse Richtung Depots. Nochmals dürfen wir im Troubleshooter-Auto mitfahren. Manuel Glatz wird in der Garage Hardau einen Mitarbeiter abholen und zurück zum Netz bringen. Dienstende ist am Escher-Wyss-Platz.
Vorbei am Brunnen beim Bullingerplatz mit dem schönen Wasserspiel. Junge Menschen geniessen die schöne Nacht. Eine romantisch anmutende Szene, beinahe wie bei der berühmten Fontana di Trevi in Rom.
Was danach geschah, lesen Sie im Teil 2.