Auf dem Hardplatz wurde gestern Samstag die neue Tramverbindung Hardbrücke mit einem charmanten Fest für die Bevölkerung eröffnet. Unser Autor Daniel Soldenhoff war mitten drin, statt nur dabei.
Erlebnisfahrt zum Hardplatz
Um 9 Uhr läutet der Wecker. Jetzt aber schnell aus dem Bett, denn heute wird die Tramverbindung Hardbrücke eröffnet, und die darf ich als Stadtmensch und Anwohner ja nicht verpassen. Zum Glück ist der Hardplatz von da wo ich wohne, nur eine kurze (Achtung; Wortspiel) Überbrückung entfernt. Drum kurz was Warmes überziehen und raus in den eisigen Wintermorgen. Am Escher-Wyss-Platz steht auch schon ein Tram, das mich, noch ziemlich angemüdet, Richtung Hardplatz mitnimmt. Am Prime Tower vorbei geht es die Rampe hoch auf die Brücke. Fast schwerelos schwebt man über die verschneite Gleislandschaft und erreicht so clever venetzt den neu gestalteten Hardplatz. Und da stehe ich nun und blicke auf die charmant verschneite, langsam wach werdende Feststimmung.
Momos zum Zmorge
Die Uhr auf dem Platz zeigt 9:55 Uhr. Ich schnappe mir eine heisse Tasse Kaffee, und natürlich meldet sich spontan auch schon der erste Hunger. Gipfeli gibt’s ja sonst überall, so nutze ich das Alternativangebot und eröffne mein kulinarisches Programm mit Momos. Das sind tibetanische Teigtaschen und so gar nicht der typische «0815»-Zmorge. Darum gibt’s auch gleich noch etwas ultrascharfe Chilli-Sauce obendrauf. Danach bin ich definitiv wach, und das gilt nun auch für die Sonne: Sie durchbricht den grauen Morgenhimmel und wärmt auch von Aussen. Da aber meine Füsse mit der Kälte nicht ganz so cool umgehen, geht’s rein ins Zelt, wo das Minitheater Hannibal mit einer eigenwilligen Märchen-Interpretation die Kids zum Lachen bringt.
On Tour und retour
Auf dem Programm stehen auch «Züri schlaflos»-Touren, diese habe ich mir schon voller Freude vorgemerkt. So schliesse ich mich der ersten, rund 20-köpfigen Gruppe an. Wir steigen ins Extratram und schon wieder geht’s über die Brücke, diesmal jedoch auf die andere Seite und fachmännisch moderiert von Mario Schmid, dem stellvertetenden Leiter der VBZ-Leitstelle. Mit spannenden Facts verkürzt er die Fahrt zum Startpunkt der Tour.
Dort angekommen, nimmt der Radiomann Hannes Hug die Gruppe unter seine Fittiche, und führt uns auf einen kurzen Spaziergang zu speziellen Orten vom Viadukt bis zur Aussichtsplattform auf dem «Freitag Tower». Als wir vom Turm heruntersteigen, denke ich spontan: «Nümme nüt!».
Von Stand zu Stand
Es ist jetzt kurz vor Mittag, logisch, dass sich nun die zweite Hungerwelle meldet, und dies vehement. Also schaue ich mir die Food-Stände mal etwas genauer an. Neben den bereits gefrühstückten Momos besteht das auf viele niedliche Holzhütten aufgeteilte Angebot auch aus den köstlichen «Gerold Chuchi»-Burgern, Raclette, Shawarmas (arabisches Pita-Sandwich) oder einer einfachen und ehrlichen Wurst vom Grill. Mein Hunger, in der Regel ein verlässlicher Entscheider, lässt mich den Burger bestellen, und ich bereue es nicht. Fürs anschliessende Verdauen sehe ich spontan zwei Optionen. Ich könnte entweder in der Kälte 20 Mal vom Hardplatz auf die Brücke hoch und wieder runter joggen, oder ich könnte mir im warmen Zelt vom Indie-Rock der The Pixels den Bauch massieren lassen. Nach langem Hin und Her entscheide ich mich schliesslich für die zweite Option – und bereue auch das nicht: Die junge Züri-Band versteht es bestens, das vom draussen tobenden Schneesturm erstarrte Publikum in kurzer Zeit aufzutauen.
Gut gebellt, Zukkihund!
Verrückt, wie die Zeit vergeht, inzwischen ist es bereits 16 Uhr. Im Zelt steht nun der Zukkihund auf der Bühne. Sie runzeln die Stirn und denken: «Oje, nun hat der Autor wohl einen Glühwein zuviel gehabt, jetzt sieht er schon auftretende Stand-Up-Hunde!» Falls dem so wäre, wäre das falsch: Weil der Zukkihund tatsächlich ein Stand-Up-Comedian ist, der bürgerlich auf den Namen Rafi Hazera hört. Und der seinen Unterhaltungsjob hier am Fest mit Hilfe von lautem Gebell (also flotten Bildern und Sprüchen) toll macht – und damit für Lacher sorgt. Good boy!
Vom Hardplatz nach Helsinki
Mit einem Glühwein in der Hand steht dann plötzlich «Tagi»-Journi und «Züri schlaflos»-Autor Thomas Wyss neben mir und entführt mich auf eine weitere Quartiertour, die er gemeinsam mit Hannes Hug begeht. Diesmal geht’s ums Nachtleben, links und rechts der Brücke. Erste Station ist das Les Halles. Hier lernen wir, dass man gemäss dem neusten französischen Duden den Namen des Lokals sowohl als «Le-all» als auch als «Les-all» aussprechen darf. So geht wahre Lebensschule! Station zwei ist dann der Nightclub Hive. Der ursprünglich Katakombe und später UG hiess. Hier werden wir von Mitbesitzer Anatol Gschwend persönlich durch den Club geführt. Nice! Letzter Halt ist der Innenhof zwischen Bogen 33 und Helsinki. Einer der letzten Oasen im Trendquartier Zürich-West und immer einen Besuch wert. Hier haben sich Hug und Wyss gegenseitig ins Vergangenheits-Nirvana geredet. Hab da aber mehr dem Soundcheck im Helsinki gelauscht als ihren Ausführungen. Sie mögen es mir verzeihen!
Mit Schuss zum Schluss
Nach dieser Expedition ins Reich der Nachtschattengewächse habe ich mir den einen oder anderen Glühwein echt verdient. Zusammen mit Freunden geniesse ich – passend zum wohligen Getränk – die warmen Reggae-Klänge der zweiten lokalen Einweihungsfestband Hangover Jam. Mit dem Schlussakkord neigt sich auch das Fest dem Ende zu. Jetzt aber schnell austrinken, Adieu sagen und rein ins letzte Extratram, das schon mit offenen Türen auf mich wartet. Das war’s – gute (N)acht Zürich.
Die erste Kursfahrt
Am frühen Morgen des heutigen 10. Dezember nahm im Zuge des Fahrplanwechsels auch die «neue» Tramlinie 8 ihren Betrieb auf. Die Neubaustrecke über die Hardbrücke erlaubt die Verlängerung der Linie 8 ins aufstrebende Quartier Zürich-West, bindet damit den Bahnhof Hardbrücke optimal ans Zürcher Tramnetz an und schafft eine direkte Verbindung zwischen Zürich-West und dem Raum Helvetiaplatz / Stauffacher sowie dem Paradeplatz.